Bahnbrechende Experimente zur Teleportation und zur Quantenkryptografie. | "Mich verblüfft, wie konservativ die Philosophen sind." | Wien. Jetzt fehlt ihm im Grunde nur noch der Nobelpreis. Am 13. Mai nahm der Wiener Physiker Anton Zeilinger in Jerusalem den renommierten Wolf-Preis für "grundlegende konzeptionelle und experimentelle Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik" entgegen. Da sich unter den vielen Auszeichnungen, die ihm in den letzten Jahren zuteil wurden, auch der saudi-arabische König-Faisal-Preis befindet, freut es Zeilinger besonders, dass er nun zu den wenigen zählt, die bei "beiden communities" im Nahen Osten so anerkannt sind. Am 20. Mai vollendet der in Ried im Innkreis Geborene das 65. Lebensjahr. Gymnasium und Physikstudium schloss er in Wien ab.
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Anton Zeilinger, zuvor in Innsbruck tätig, ist seit 1999 Professor für Experimentalphysik an der Universität Wien und seit 2004 einer der Direktoren des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (Iqoqi) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Spätestens seit er im Jahr 2007 bei einer Umfrage nach österreichischen Wissenschaftern am meisten genannt wurde - im Spitzenfeld landeten kurioserweise auch der damalige SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal und Staatsoperndirektor Ioan Holender -, gilt er als der Paradeforscher des Landes. Dabei hat er nach eigener Aussage "keine einzige Stunde eine Vorlesung aus Quantenphysik besucht", sondern sich sein Wissen aus Büchern angeeignet.
Für internationales Aufsehen sorgte der weit in der Forschungswelt herumgekommene Zeilinger durch seine Experimente im Bereich der Quanten-Teleportation, die ihm den Titel "Mr. Beam" eintrugen. Was das Science-Fiction-geschulte Volk "Beamen" nennt, heißt in der Fachwelt Teleportation: die Herstellung einer exakten Kopie eines Quantensystems an einem anderen Ort durch Ausnutzung verschränkter Zustände. Im Fall verschränkter Zustände beeinflussen Messungen an einem Teilchen das andere Teilchen, ganz egal, wie weit es entfernt ist. Schon Albert Einstein hat 1935 auf diesen Effekt hingewiesen und ihn als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet. Bei der Teleportation überträgt das Original alle Eigenschaften an die Kopie und bleibt selbst informationslos zurück.
Verschränkte Photonenpaare sind auch Grundlage der Quantenkryptografie, eines speziellen Experimentierfeldes von Anton Zeilinger: Es geht dabei darum, zwei Parteien eine gemeinsame Zufallszahl zur Verfügung zu stellen. Diese Zahl wird in der Kryptografie als geheimer Schlüssel verwendet, um mittels klassischer symmetrischer Verschlüsselungsverfahren Nachrichten abhörsicher zu übertragen. Im April 2004 führte Zeilinger in Wien die weltweit erste quantenkryptografisch verschlüsselte Banküberweisung durch. Mit seinen Innsbrucker Kollegen Peter Zoller und Hans Briegel gehört er auch zu den weltweit meistzitierten Forschern mit Publikationen zum Thema Quantencomputer.
Auf eine Initiative Zeilingers aus dem Jahr 2002 geht schließlich die Errichtung des gerade ein Jahr alten Institute of Science and Technology Austria zurück. Zwar zog sich Zeilinger, als die Standortwahl auf Maria-Gugging in Niederösterreich fiel, zeitweilig von dem Projekt zurück, gehört aber jetzt wieder den entscheidenden Gremien an.
Zeilinger deklarierte sich als Anhänger der Kopenhagener Schule der Quantenphysik, wonach der quantenmechanische Zustand die Information ist, die wir über die Welt haben. In einem Interview mit dem Magazin "Telopolis" betonte er: "Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden."
Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gab sich Zeilinger 2007 verwundert, dass heute vor allem Philosophen am physikalischen Realismus hängen: "Mich verblüfft, wie konservativ die Philosophen sind."