Sektionschef blies eigenen Genossen und so manchem Minister den Marsch.
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Wien. Finanzminister Michael Spindelegger umgibt sich künftig mit ausländischen Experten, um das Hypo-Drama endlich zu beenden. Die inländischen Experten kommen ihm indes zunehmend abhanden. Nach dem Abgang von Ex-Nationalbank-Gouverneur Klaus Liebscher als Hypo-Task-Force-Chef verliert er nun seinen wichtigsten Beamten, Gerhard Steger. Nach einem fixen Nachfolger wird gesucht. Der 56-Jährige verkörperte wie kein anderer das Zahlenwerk aus Einnahmen und Ausgaben des Staates. Er erstellte 16 Jahre lang das heimische Budget und zog dabei - soweit er als Sektionschef darauf einwirken konnte - eine Defizitdiät üppigen Neuschulden vor.
Steger erlebte - und in dieser exponierten Position muss man sagen: überlebte - sechs Finanzminister in Rot, Schwarz und Blau. Vom eigenen Couleur her ist Steger bekennender Sozialdemokrat. Doch seinen Genossen bereitete er dann wenig Freude, wenn er den notorischen Schuldenmachern unter ihnen wiedereinmal die Leviten las. In einem Kommentar von 2011 nannte er sinngemäß "vier gute sozialdemokratische Gründe für strikte Budgetdisziplin":
1) Ohne solide Staatsfinanzen könne der Staat auf Dauer nicht von Reich zu Arm umverteilen, Arbeitslosigkeit aktiv bekämpfen oder sinnvoll investieren. 2) Zinsausgaben für Staatsschulden verteilten das Geld in die falsche Richtung von den Armen zu den reicheren Kreditgebern. 3) Zu hohe Schulden würden uns zum Spielball der Rating-Agenturen machen. Doch wieder klassisch rot schloss er: "Alle müssen beitragen, die Schulden zu senken: die Reichen pro Nase mehr, die Kleinen pro Nase weniger." Über diese Disziplin kann er nun wachen, in seiner neuen Aufgabe als Zuständiger für Finanzen und Banken im Rechnungshof.
Keiner weiß besser, wo man hinschauen muss, keiner sieht schneller, wenn die Politik Ausgabenbömbchen im Budget versteckt. Solche pflegte Steger als Sektionschef prophylaktisch zu entschärfen - mit seinen eigenen Methoden. Wenn die Politik vor Wahlen mit Geschenken für die Zeit danach um sich warf, rechnete er vor, was das alles kosten wird.
So entstanden Budgetlöcher von bis zu 40 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre, wie um die Jahreswende geschehen. Natürlich sind solche Zahlen oft Worst-Case-Szenarien, die man auch entspannter - die Regierung würde sagen: struktureller - sehen kann. Und natürlich posaunte nicht er solche Zahlen in der Öffentlichkeit hinaus, sondern Politiker, die ihren Kurs damit unterstreichen wollten. Aber an Steger und seinen Zahlen kam niemand vorbei. Und so wurde das eine oder andere Projekt deswegen wieder abgeblasen.
Auch an seinem Denkmal kommt künftig niemand vorbei: die Reform des Haushaltsrechts. Die macht das Budget transparenter und planbarer.
Nach diesem "riesen Ding", wie er die Reform einmal bezeichnete, wolle er nun nicht in Routine abgleiten, begründete Steger sein Ausscheiden gegenüber der Austria Presse Agentur.
Steger musste wiederholt Prügel einstecken, zuletzt wegen des Budgetlochs. Grasser wollte ihn wegen eines Akten-Streits rund um die Eurofighter entmachten. Mit der Politik habe sein Abgang nichts zu tun. "Ich habe eine Haut wie ein Elefant." Und mit seinem Hobby - Steger ist leidenschaftlicher Gitarrist und Saxophonist - nimmt er den politischen Blues einfach mit auf die Bühne.