Feuer und Plünderungen in Kairo - Zahlreiche Tote und Verletzte in Kairo und Suez. | Widersprüchliche Angaben über landesweite Ausgangssperre. | Kairo. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat nach den gewaltsamen Protesten der vergangenen Tagen die Bildung einer neuen Regierung angekündigt. Mubarak sagte in der Nacht zum Samstag in einer Fernsehansprache: "Ich habe von den Regierungsmitgliedern gefordert, dass sie ihren Rücktritt einreichen, und morgen werde ich eine neue Regierung einsetzen". | Der alte Mann und die Repression | EU von Ereignissen völlig überrollt | USA drohen mit Kürzung der Finanzhilfe
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Mubarak, der seit Beginn der Proteste am vergangenen Dienstag geschwiegen hatte, sagte weiter: "Wir müssen vorsichtig ein, dass kein Chaos ausbricht, denn dadurch entsteht keine Demokratie." Ägypten müsse stabil und sicher sein. Während er sprach, zogen Plünderer und Demonstranten, die seinen Rücktritt forderten, weiter durch die Straßen der Hauptstadt.
Ferner versprach er den Ägyptern mehr Demokratie und größere Bemühungen zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit. "Wir bewahren, was wir erreicht haben, und wir bauen darauf auf", fügte er hinzu. Der ägyptische Präsident erklärte zudem, er wolle soziale, wirtschaftliche und politische Reformen vorantreiben. Er verteidigte auch den Einsatz von Militär gegen die Demonstranten.
Tote in Kairo und Suez
Zuvor war es nahe dem ägyptischen Parlament in Kairo auf dem Tahrir-Platz (Platz der Befreiung) zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen. Die Protestierenden wollten offenbar das Gebäude stürmen und wurden wenige Kilometer vor dem Parlament von Sicherheitsleuten mit Gummigeschoßen und Tränengas zurückgedrängt.
Auch in Suez war es in der Nacht zu schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Nach Angaben von Ärzten wurden mindestens 13 Menschen getötet, mindestens 75 Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt. Außerdem fuhren am Abend in Suez Panzer auf. Die Zahl der Verletzten im Großraum Kairo wird von Ärzten mit rund 1030 angegeben. Mindestens fünf Menschen seien ihnen zufolge in der Hauptstadt getötet worden.
Weiters soll Präsident Mubarak über das ganze Land eine nächtliche Ausgangssperre verhängt haben. Die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur MENA zog Freitagabend diese Meldung jedoch wieder zurück. Das staatliche Fernsehen sprach nur von einer für die Städte Kairo, Alexandria und Suez geltenden Ausgangssperre. Demnach habe Mubarak in einem Dekret eine nächtliche Ausgangssperre nur für diese drei Städte verhängt, um die "Sicherheit und den Schutz öffentlichen und privaten Eigentums zu gewährleisten". Damit wären Touristenorte wie Sharm el-Sheikh oder Hurghada nicht von der Maßnahme betroffen.
Feuer und Plünderungen in Kairo
Laut Augenzeugenberichten waren in den Straßen von Kairo am Freitag Abend Armeefahrzeug zu sehen. Es sei zu Verbrüderungsszenen zwischen Demonstranten und Soldaten gekommen, berichteten "Al Jazeera" und ORF aus Kairo weiter. Die Armee schütze den Sitz des staatlichen Senders in der Hauptstadt, der zuvor von Demonstranten angegriffen worden war, so "Al Jazeera". Aufgrund der anhaltenden Brände in der Kairoer Innenstadt werde außerdem befürchtet, dass das Feuer auf das ägyptische Nationalmuseum übergreifen könnte, in dem sich unschätzbare Kunstwerke und die Mumien von Pharaonen befinden, hieß es laut "Al Jazeera".
Augenzeugen berichteten ferner von Plünderungen und Brandstiftungen. Demnach hätten Gruppen von Männern mehrere öffentliche Gebäude, Geschäfte und die Zentrale der Nationaldemokratischen Partei (NDP) in Brand gesetzt. Ein junger Demonstrant sagte im TV-Sender Al-Arabiya, er habe gesehen, wie Männer Geschäfte im bürgerlichen Stadtteil Mohandesien geplündert hätten. Kein Polizist und kein Soldat habe sie daran gehindert, sagte er.
Die Parteizentrale der NDP am Nilufer stand am Abend weiter in Flammen, über der Stadt kreisten Helikopter der Armee. Die staatliche Fluggesellschaft Egypt Air stellte den Flugbetrieb für die Dauer der Nacht ein.
Ägypten ohne Mobilfunk und Internet
An den Protesten nahm am Freitag auch der Oppositionelle Mohamed ElBaradei teil. Im Anschluss an ein Freitagsgebet vor einer Moschee in Kairo riefen Teilnehmer lautstark "Nieder mit Mubarak", die Polizei ging mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas gegen sie vor. Der Friedensnobelpreisträger ElBaradei flüchtete in die Moschee, aus der er nicht mehr heraus durfte. Ägyptische Polizisten sprachen von Hausarrest. (APA/dapd/dpa/Reuters/red)
Siehe auch:Freiheit ist absolut (Leitartikel von Reinhard Göweil)
+++ Israel - die demokratische Oase und ihre demokratischen Bedrohungen (Analyse von Georg Friesenbichler)
+++ Reisewarnung des Wiener Außenministeriums