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Mugabe wirft Schatten auf EU-Afrika-Gipfel

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Simbabwe und Darfur belasten Beziehungen. | Brown boykottiert Gipfeltreffen. | Peking fragt nicht nach Menschenrechten. | Brüssel/Lissabon. Es wird ein turbulentes Wochenende in Lissabon. Beim ersten EU-Afrika-Gipfel seit sieben Jahren weilen 53 afrikanische Staats- und Regierungschefs und 26 europäische Kollegen samt Entourage in der Stadt. Nur der britische Premier Gordon Brown schickt einen Stellvertreter. Damit protestiert er gegen die Teilnahme des simbabwischen Diktators Robert Mugabe, der sein einst reiches Land mit eiserner Hand völlig in den Abgrund gewirtschaftet hat. Seine Anwesenheit droht das Treffen zu dominieren, auf dem die EU und Afrika die Tür zu engerer Zusammenarbeit aufstoßen sollen. Noch geht Europas Engagement nämlich kaum über die Entwicklungshilfe hinaus. Die Union fürchtet um ihren Anteil am Reichtum des Schwarzen Kontinents.


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China im Vormarsch

Denn China investiert jährlich eine Milliarde US-Dollar (680 Millionen Euro) in die afrikanische Infrastruktur, zum Zug kommen chinesische Unternehmen. Die Volksrepublik überschwemmt den Markt mit ihren Billigprodukten, chinesische Konzerne fördern längst in großem Stil die afrikanischen Bodenschätze. Edelmetalle, Diamanten sowie vor allem Öl und Gas gehen verstärkt ins Reich der Mitte. Fast ein Drittel des Ölverbrauchs wird bereits aus Afrika gedeckt.

Die Behörden in Peking fragen nicht nach der Einhaltung von Menschenrechten oder Rechtsstaatlichkeit. So zählt etwa auch bei der Ausbeutung der sudanesischen Erdölreserven allein das Geschäft. Keine Rolle spielt, dass die Regierung in Karthum in der Südwestprovinz Darfur durch massive ethnische Säuberungen den schlimmsten derzeit bekannten Bürgerkrieg in Afrika ausgelöst hat. Rund 200.000 Tote und etwa 2,2 Millionen Flüchtlinge sind nach internationalen Schätzungen bereits die Folge.

Deutlich empfindlicher als die Chinesen sind europäische Spitzenpolitiker. So hat der britische Premier Gordon Brown erklärt, es sei völlig undenkbar, sich mit einem Mann wie Mugabe an einen Tisch zu setzen: "Wir sind nicht bereit, einem Mann irgendeine Glaubwürdigkeit zu verleihen, der in so rücksichtsloser Weise die Menschenrechte in seinem Land zerstört hat." Mugabe sei für vier Millionen Flüchtlinge und für ein erschreckendes Ausmaß von Armut und Elend in seinem Land verantwortlich. Die Inflation des Simbabwe-Dollars lag im Oktober schon nach offiziellen Angaben bei rekordverdächtigen 14.800 Prozent, unabhängige Schätzungen gehen eher von 40.000 Prozent aus. Es herrscht Hungersnot. Die Opposition wird brutal unterdrückt.

Doch die Afrikanische Union (AU) hat darauf bestanden, alle ihre Staatschefs einzuladen. Und für die derzeit der EU vorsitzenden Portugiesen geht es um viel, der Fokus Afrika ist eine erklärte Priorität der ehemaligen Kolonialmacht. Schon 2003 war ein Gipfel wegen Mugabe gescheitert. Für einige afrikanische Spitzenpolitiker ist Mugabe aber immer noch als Freiheitskämpfer hoch angesehen. Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade will - ohne Aussicht auf Erfolg - sogar ein Ende der EU-Sanktionen gegen den greisen Herrscher aufs Tapet bringen. Das Einreiseverbot für den 83-Jährigen und Mitglieder seines Regimes wurde nur ausnahmsweise für den Gipfel ausgesetzt. Die meisten EU-Spitzenpolitiker wollen Mugabe zumindest deutlich die Meinung sagen.

"Politische Feigheit"

So feilt Portugal noch hektisch an einem Rezept für ein harmonisches Treffen. Dem Vernehmen nach sollen die Menschenrechte keine Hauptrolle spielen. Dieser pragmatische Zugang stieß unmittelbar auf Kritik: Prominente Autoren aus Europa und Afrika werfen den Staats- und Regierungschefs in einem offenen Brief "politische Feigheit" vor. Die beiden schlimmsten humanitären Krisen der Welt, Simbabwe und Darfur, stehen nicht auf der Tagesordnung, beklagen Autoren wie Günter Grass, Jürgen Habermas, Vaclav Havel und die Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka aus Nigeria sowie John M. Coetzee aus Südafrika. Immerhin will die EU der AU eine "dauerhafte, planbare und flexible Finanzierung" von Friedensmissionen zusagen. Denn vor allem den 7000 AU-Soldaten in Darfur fehlt es an Nahrung, Sold und der nötigen Ausrüstung.