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Mühsame Suche nach einem neuen Tory-Chef

Von WZ-Korrespondent Carl Stiansen

Politik

Basis beharrt auf Mitspracherecht bei der Auslese. | Clarke gilt als Favorit für Howard-Nachfolge. | London. Michael Howard will nicht mehr. Bereits unmittelbar nach den Unterhauswahlen vom 5. Mai hat der Führer der britischen Konservativen erklärt, dass er zurücktreten wolle. Den Konservativen war es zwar gelungen, Sitze zu gewinnen und die Mehrheit der Labour-Partei von Tony Blair auf 67 Sitze schrumpfen zu lassen. Aber drei Wahlniederlagen in Folge sind viel für eine Partei, die Grossbritannien im 20. Jahrhundert massgeblich geprägt hat.


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Doch die Wahl eines Howard-Nachfolgers kommt nicht voran. Die Fraktion im Westminster-Parlament und die Parteibasis streiten über das Wahlverfahren. Nach den heute geltenden Regeln können die 197 Abgeordneten die Kandidaten vorschlagen. In einer Reihe von Abstimmungen fällt jeweils der schlechtest plazierte heraus. Die zwei besten Kandidaten stellen sich dann einer Urabstimmung der 300.000 Mitglieder.

Zuletzt wurde auf diese Weise 2001 Duncan Smith gewählt, der weitherum als Fehlbesetzung angesehen wurde. Als er zurücktrat, einigte sich die Fraktion auf einen einzigen Kandidaten, Howard.

Nun soll die Basis nur noch konsultiert werden. Die eigentliche Wahl würde allein der Fraktion überlassen werden. Noch bis zum 27. September können sich die 1300 Delegierten des Parteitages in einer Briefabstimmung zu dieser Änderung äussern.

In einer Umfrage unter den lokalen Parteichefs hat sich die Hälfte für die "nderung ausgesprochen, ein Drittel dagegen. Wird sie angenommen, kann auf dem Parteitag in Oktober ein neuer Chef gewählt werden. Wenn nicht, muss Howard bis Anfang 2006 nachsitzen.

Clarke gegen Fox

Insgesamt acht Kandidaten sind im Rennen. Klarer Favorit ist der Pro-Europäer Kenneth Clarke, der 2001 gegen Smith unterlegen war. Als ehemaliger Schatzkanzler könnte Clarke es mit dem vermutlichen Nachfolger Blairs aufnehmen, dem gegenwärtigen Finanzminister Gordon Brown.

Clarke will die Partei stärker in die Mitte rücken und den "Volkskapitalismus" propagieren. Einer "Times"-Umfrage zufolge würde die Zustimmung zu den Tories bei seiner Wahl von 33 auf 37 Prozent steigen. Clarke hat aber auch Schwächen. Mit 65 ist er noch älter als der 63-jährige Howard, der auch mit Hinweis auf sein Alter zurücktrat. Zudem hat der Zigarrenraucher eine Spitzenstellung bei British American Tobacco inne.

Der 43-jährige Liam Fox, gegenwärtig Schattenaussenminister, setzt mehr auf traditionelle Werte. Er fordert eine "selbstbewusste Partei" und will sich auf Themen wie die Kriminalitätsbekämpfung und die Krise der Familie konzentrieren. Auch sein Vorschlag, Fahnen vor Schulgebäuden wehen zu lassen, sichert ihm die Unterstützung von Anhängern des rechten Parteiflügels. Fox setzt sich dafür ein, dass weiterhin die Basis über den Chef entscheidet.

David Davis dagegen könnte die Modernisierer und die Traditionalisten zusammenbringen. Der Schatteninnenminister kommt aus unkonventionellen Verhältnissen - sein Grossvater war Kommunist. Er fordert von den Tories, sich für ihre eigenen Werte einzusetzen, Freiheit, niedrige Steuern, Wettbewerbsfähigkeit und Selbstverantwortung.

Einer für alle

Der künftige Chef muss jedenfalls die Partei einen können. Nur so können die Tories hoffen, Labour wieder von der Macht zu verdrängen. Der voraussichtliche Wechsel von Blair zu Brown gibt ihnen dazu eine Chance. Wenn sie diese nicht nutzen, könnte es für lange Zeit zu spät sein.