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"Multi-Kulti war einmal"

Von Katharina Schmidt

Politik

Henryk M. Broders provokantes Buch "Hurra, wir kapitulieren!" | Absage an die Political Correctness der Europäer. | Europas Demokratien lassen sich von den islamischen Diktaturen bis zur Selbstaufgabe einwickeln. Zu dieser Ansicht kommt der deutsche Publizist Henryk M. Broder in seinem neuen Buch, in dem er der europäischen Political Correctness eine deutliche Absage erteilt.


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Warum hat sich in Europa niemand auf die Seite Dänemarks gestellt, nachdem die in der "Jyllands Posten" veröffentlichten Mohammed-Karikaturen eine Welle der Gewalt in den islamischen Staaten ausgelöst haben? Warum ist Frankreichs Innenminister Nicholas Sarkozy an den Krawallen in den Pariser Vorstädten Schuld gewesen, weil er die randalierenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund "Gesindel" genannt hat? Warum konnte der niederländische Filmemacher Theo van Gogh keinen Streifen über die Unterdrückung der muslimischen Frauen drehen, ohne dafür mit dem Tod bestraft zu werden?

Broders Antworten auf diese Fragen: Europa versteht Integration als Nachgeben gegenüber einer fremden Kultur. Europa betreibt Appeasement-Politik gegenüber radikalen Islamisten und damit vorauseilende Selbstaufgabe. Bei jeglicher Auseinandersetzung mit islamistischen Drohungen kommt es den europäischen Meinungsmachern nur darauf an, zu beschwichtigen. Oder, in Broders Worten: Es geht immer nur um die Frage "Was müssen wir tun, damit sie uns in Ruhe lassen?"

Muslime und Linke

im Visier Broders

Freilich, eine provokante These und ein böses Erwachen für alle Verfechter des Multi-Kulti-Traumes. Vor allem deshalb, weil Broder nicht mit Polemik und Pauschal-Verurteilungen spart. So betreibt er nicht nur Muslim-Bashing, sondern rechnet auch - auf nicht immer ganz nachvollziehbare Weise - mit Linken und Pazifisten ordentlich ab.

Dass etwa der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine einen Berührungspunkt zwischen Islam und Sozialismus sah, ist für Broder kein Wunder: "Salonrevoluzzer, Weltveränderer und Utopisten waren immer für autoritäre und totalitäre Versuchungen anfällig", argumentiert er.

Auch für die offensichtlichen Differenzen zwischen Orient und Okzident hat der Publizist eine Erklärung parat: Der politische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle "Rückstand (der muslimischen Gesellschaften) zum Rest der Welt ist der Grund für die permanente Neigung zum Beleidigtsein und zu gewaltsamen Ausbrüchen." Broder spart nicht mit derlei apodiktischen Grundsätzen, die so manchen Leser zum Weglegen des Buches veranlassen werden.

Allerdings beweist er auch ein gewisses Maß an Galgenhumor. Denn - wenn man es genau bedenkt - ist es doch eine geniale Idee, den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadi-Nejad zum Ritter des deutschen Karnevalsordens "Wider den tierischen Ernst" zu schlagen. "Für seine einzigartige Begabung, einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten".

Broders Pamphlet ist also nicht tierisch ernst zu nehmen und ganz sicher nicht als Bibel für eine bessere Völkerverständigung zu lesen. Doch es ist eine erfrischend schonungslose, mutige Abrechnung mit den blauäugigen Phantasien eines friktionsfreien Nebeneinanders der Kulturen.

Henryk M. Broder

Hurra, wir kapitulieren! - Von der Lust

am Einknicken.

wjs verlag,

168 Seiten, 16,50 Euro.

Provokante Pflichtlektüre.