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"Mundtot lassen wir uns nicht machen"

Von Arian Faal

Politik

Mitorganisator der Demonstrationen 2009 gegen das Regime im Interview.


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Sasan K., 28 Jahre alt, war bei der der Präsidentschaftswahl 2009 einer der Organisatoren der Demonstrationen gegen den unter umstrittenen Umständen wiedergewählten Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad in Teheran. Er zieht knapp vier Jahre nach den Protesten und am Ende der zweiten Amtszeit Ahmadinejads eine traurige Bilanz über die "Grüne Bewegung". Aus verständlichen Gründen nennen wir nicht seinen vollen Namen.

"Wiener Zeitung":Was ist aus der Grünen Bewegung, sprich der iranischen Opposition, geworden? Werden die Anhänger der beiden unter Hausarrest stehenden unterlegenen Kandidaten von 2009, Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi, wieder ihr Leben riskieren und auf die Straße gehen?Sasan K.: Leider muss ich sagen, dass die Grüne Bewegung in den vergangenen Monaten ziemlich abgeflaut ist, aber sie ist nicht tot. Sie war zwar eine inspirierende Quelle für die ganze Region und hat dafür gesorgt, dass die Hemmschwelle der Menschen in der Region, gegen ihre diktatorischen Machthaber in Aktion zu treten, wesentlich gesunken ist, doch im Iran selbst hat sie leider nichts bewirken können.

Das klingt nach Resignation...

Nein, die Verdrossenheit über das herrschende System, insbesondere die wirtschaftliche Lage, ist quer durch alle sozialen Schichten spürbar. Doch die brutale Art, wie die Bassij-Milizen gegen unsere überwiegend jungen Menschen vorgegangen sind, schreckt viele ab, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Viele Eltern würden ihren Kindern auch nicht mehr erlauben, demonstrieren zu gehen. Aber wir werden wiedererstarkt zurückkehren und sind dabei, uns Strategien zu überlegen.

Dennoch gibt es im Internet sehr viele Blogger und Foren, in denen sich die jungen Menschen austauschen. Wie organisieren Sie sich?

Das Internet wird immer öfter zensiert oder verlangsamt, aber wir finden immer wieder Filterbrecher, die uns den nötigen Zugang zu allen wichtigen Seiten wie Twitter, Facebook und Youtube ermöglichen. Da viele Telefone abgehört werden, spielt auch die Mund-zu-Mund-Propaganda eine sehr wesentliche Rolle.

Worum geht es den Menschen?

Die kommenden Wahlen werden die Weichen für unser System stellen. Da geht es um mehr als darum, wer der Nachfolger von Mahmoud Ahmadinejad wird. Da geht es um die Zukunft unseres Landes, um die Gestaltung der politischen Bühne. Vielen geht es aber nach der Teuerungswelle bereits ums nackte Überleben. Das ist nicht nur eine Wahl, sondern mehr ein Zeitpunkt, um Wut und Enttäuschung über 34 Jahre Korruption, Misswirtschaft, Isolation und Diktatur kundzutun. Millionen Perser leben in bitterer Armut. Ahmadinejad hat in den letzten Jahren fast nur die Lage der Landbevölkerung und der Bassij-Milizen verbessert.

Der für alle Wahlen zuständige Wächterrat will dafür sorgen, dass Proteste im Keim erstickt werden...

Der Wächterrat bedeutet den meisten Menschen nichts. Er wird nicht als legitim angesehen. Denn er selektiert vor der Wahl bereits die ihm genehmen Kandidaten aus und lässt nur diese zu. Der Wächterrat und die Polizei können uns schlagen, in Gefängnisse sperren, foltern und unterdrücken, aber mundtot lassen wir uns nicht machen.