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Murdoch und Murdoch beim Verhör

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Europaarchiv

Rupert Murdoch: „Tag größter Demut meines Lebens.” | Verantwortung von sich gewiesen.


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London. Auf diesen Tag hatten die Briten mit Spannung gewartet. Es war der Tag, an dem der Medienmogul Rupert Murdoch mit seinem Sohn James Abgeordneten in Westminster Rechenschaft über seine Geschäftsaffären ablegen sollte. Es sei, meldete sich Murdoch senior gleich einmal zu Wort, der „Tag der größten Demut meines Lebens”. Für zusätzliche Demütigung wollte ein britischer Komiker sorgen, der Murdoch während der Anhörung einen Kartonteller mit Rasierschaum ins Gesicht zu drücken versuchte. Dank des kämpferischen Einsatzes seiner neben ihm sitzenden Frau bekam aber nur die Schulter des Medienzaren etwas ab.

Demut hin oder her: Sie hinderte Murdoch nicht daran, zu einigen der ihm gestellten Fragen den Kopf zu schütteln, ungeduldig mit der Handfläche auf den Tisch zu klopfen und mehrfach darauf zu verweisen, dass er ein Medienempire von gewaltigem Ausmaß befehlige - und nicht jedes Detail und jeden einzelnen Mitarbeiter des Konzerns kennen könne.

Zwar wiederholte Murdoch, dass er „schockiert und entsetzt” gewesen sei über die jüngsten Lauschaffären-Enthüllungen über sein Skandalblatt „News of the World” und sich „zutiefst dafür schäme”. Gefragt aber, ob er letztendlich die Verantwortung für dieses Fiasko übernehme, antwortete er mit „Nein.” Er selbst, machte er deutlich, sei von üblen Charakteren in der Firma betrogen worden. Was könne er schon wissen, über den Skandal beim Revolverblatt „News of the World”? „Das hat ja weniger als ein Prozent meines gesamten Firmenbestandes ausgemacht.”

Kritik am Premier

Rupert Murdoch zeigte sich vor den elf Mitgliedern des Kultur- und Medienausschusses des Unterhauses ein wenig schwerhörig und ließ sich Zeit zum Nachdenken. Nur im politischen Bereich kam er bereitwillig aus der Deckung. Durch die Hintertür der Regierungszentrale sei er im Mai des Vorjahres spaziert, weil ihn Premier David Cameron darum gebeten habe, erklärte er. Im Übrigen habe er auch bei Camerons Vorgänger Gordon Brown öfter mal selbige Hintertür benutzt.

James Murdoch, selbst in Bedrängnis geraten durch die Krise, suchte sich einzuschalten, wenn sein Vater verstummte. Selbst Zahlungen an Lauschopfer in Millionenhöhe seien zu bescheiden gewesen, als dass man den alten Herren damit habe belästigen müssen: Vater Ruperts guter Ruf war offenkundig oberste Priorität.

Zum Zeitpunkt der Befragung befand sich Premier Cameron auf dem Weg von Afrika zurück nach London. Die lang geplante Reise hatte der Regierungschef in wachsender Panik über die Ereignisse daheim auf zwei knappe Tage verkürzt. Dass er überhaupt weggefahren ist, hatten ihm seine eigenen Parteigänger schon äußerst negativ angerechnet. Labour-Abgeordnete forderten erstmals offen Camerons Rücktritt.

Wettlustige Briten konnten am Montag bereits darauf wetten, dass Cameron bis Freitag die Koffer in Downing Street Nr. 10 gepackt hätte. Das, fanden die meisten Beobachter, sei nun wirklich übereilt. Einige Kommentatoren wiesen aber darauf hin, dass sich vor zwei Wochen niemand hätte vorstellen können, dass die zwei Top-Polizisten des Landes zurückgetreten, die Generaldirektorin von News International verhaftet, die größte britische Zeitung eingestellt und Rupert Murdoch vors Parlament zitiert sein würden.

Ausgerechnet in Murdochs „Times” wurde Innenministerin Theresa May, die unerschütterliche „Eiskönigin der Konservativen”, als „die Erfolgsfigur der Regierung” in dieser Krise herausgestrichen. Sie sei, spekulierten manche Parlamentarier, eine denkbare Nachfolgerin für Cameron. Die Tory-Rechte hegt wenig Sympathien für den Premier, hat sich bisher aber zurückgehalten. Dafür drückte sich Londons Bürgermeister Boris Johnson, eine Schlüsselfigur der Konservativen, um eine Solidaritätserklärung für seinen alten Studienkommilitonen Cameron herum.

„Unverdächtiger” Tod

Zurückgetretene und noch amtierende Londoner Polizeichefs mussten sich unterdessen gegen immer neue Vorwürfe wehren. So soll der bisherige Vize-Polizeipräsident John Yates nicht nur weitergehende Untersuchungen in die Murdoch-Affäre blockiert, sondern auch der Tochter eines früheren Murdoch-Managers und späteren Polizeiberaters einen Job vermittelt haben. Ebenso verhört wird der langjährige PR-Direktor der Metropolitan Police, Dick Fedorcio, der dem betreffenden Murdoch-Mann zum Beraterposten verholfen haben soll.

Weiteres Rätselraten herrschte über die Todesursache des früheren „News of the World”-Redakteurs Sean Hoare, der am Montag in seiner Wohnung aufgefunden worden war. Hoare war der Erste, der von „systematischen Lauschaktionen” gesprochen hatte. Er hatte erklärt, der damalige Chefredakteur und spätere Regierungssprecher Andy Coulson habe ihn zu solch illegalen Aktionen aufgefordert. Hoares Tod sei laut Autopsie nicht auf Fremdverschulden zurückzuführen, erklärte die Polizei.