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Murren im Reisejubel

Von Daniel Bischof

Wirtschaft

Die Tourismusbranche meldet Rekorde. Doch die Unzufriedenheit der Beschäftigten steigt.


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Wien. Die einen jubeln, die anderen seufzen: Während Wien-Tourismus am Dienstag einen neuerlichen Nächtigungsrekord verkündete, sinkt die Stimmung bei den Tourismusbeschäftigten. Das geht aus dem Arbeitsklimaindex Tourismus 2018 hervor, der am Dienstag bei einer Diskussion in der Zentrale des ÖGB in Wien präsentiert wurde.

"Die Tourismusbeschäftigen fühlen, dass sie am Wirtschaftsaufschwung nicht mitpartizipieren", sagte Georg Michenthaler. Der Fachmann des Instituts für empirische Sozialforschung (Ifes) hat den Index im Auftrag der Arbeiterkammer Wien erstellt. Dazu wurden 342 Beschäftigte im Tourismus in persönlichen Gesprächen zu ihrem Job befragt.

Kritik der Jungen

Während die Zufriedenheit bei den Arbeitnehmern in den anderen Branchen 2018 stieg, sank sie im Tourismus-Bereich. 2016 und 2017 lagen beide Gruppen noch gleichauf. "Die Schere öffnet sich wieder", sagte Michenthaler. Eine deutliche Diskrepanz hatte es nämlich bereits in den Jahren nach der Wirtschaftskrise 2008 gegeben: Damals hatte eine deutlich höhere Unzufriedenheit im Tourismus geherrscht.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Befragten sehen sich etwa weniger wertgeschätzt als ihre Kollegen in anderen Branchen. Auch mit ihrem Gehalt sind sie unglücklicher. Besonders bei Frauen, den jüngeren Beschäftigten und dem Reinigungs- und Servicepersonal herrscht Unmut. Die Jungen kritisieren den Führungsstil ihrer Vorgesetzten: "Sie fühlen sich in den Betrieben oft nicht gut behandelt", so Michenthaler.

Streitthema sind vor allem Überstunden, wobei es hier brancheninterne Unterschiede gibt. Nur 13 Prozent aller Hotellerieangestellten erklären, "häufig" Überstunden zu machen, in der Gastronomie sind es 26 Prozent, bei Beschäftigen anderer Branchen 16 Prozent.

Das mache die Arbeit im Tourismus unattraktiv, sagte Berend Tusch, Bereichsvorsitzender für Tourismus in der Gewerkschaft vida. Denn eine "Kultur- und Wertewandel" habe eingesetzt: "Bei den Jungen gibt es die Tendenz, weniger arbeiten zu wollen."

Die Ausdehnung der erlaubten täglichen Arbeitszeit durch die Bundesregierung nannte er ein "Abschreckprogramm". Stattdessen müsse man den Job im Tourismus wieder "sexy" machen - etwa mit kürzen Arbeitszeiten. "Der Tourismus ist gut, wenn es darum geht, die Gäste zu begeistern, bei den Mitarbeitern gelingt ihm das nicht", sagte Tusch.

Man dürfe nicht immer nur die negativen Seiten hervorkehren, erklärte hingegen Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. "Bei euch ruft ja niemand an und sagt: ‚Ich habe einen super Chef‘", erklärte sie den Gewerkschaftern.

Erleichterung nicht in Sicht

Reitterer bestätigte, dass es in der Branche sehr arbeitsintensiv sein könne. Das liege aber auch daran, dass weniger Mitarbeiter verfügbar seien, dadurch gebe es eben für den Rest mehr Arbeit. Das ließe sich aber durch zusätzliche Mitarbeiter aus Nicht-EU-Ländern entschärfen.

Eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht: Der Bedarf an qualifiziertem Personal wird angesichts der immer neuen Nächtigungsrekorde weiter steigen. Im Oktober 2018 gab es in Wien 1,5 Millionen Gästenächtigungen. Damit wurde der Vergleichsmonat 2017 um 6,9 Prozent übertroffen, erklärte Wien-Tourismus am Dienstag. Von Jänner bis Oktober 2018 wurden 13,5 Millionen Nächtigungen verzeichnet, das ist ein Plus von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.