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Musikgeschmack oder Fremdenhass?

Von Edwin Baumgartner

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Wählen Neue-Musik-Muffel AfD?

Glaubt man Kommentatoren in diversen deutschen Feuilletons und Fachmagazinen, ist genau das der Fall. Denn sie nützen ein Skandalkonzert in Köln für politisches Kleingeld.

Der in England lebende iranische Cembalist Mahan Esfahani mischte in sein Johann-Sebastian-
Bach-Programm drei Stücke aus dem Bereich Minimal-Music. Fred Frith und Henryk Mikolai Gorecki wurden vom Publikum noch akzeptiert. Bei Steve Reich indes ging der Radau los - und zwar schon, als Esfahani auf Englisch eine Einführung gab. "Reden Sie Deutsch", schallte ihm entgegen. Wenig später musste die Aufführung abgebrochen werden.

An dem Zuruf machen nun einige Kommentatoren die Fremdenfeindlichkeit des Publikums fest. Keine Spur von der Überlegung, dass vielleicht ein sachvokabulargespickter Monolog Sprachkenntnisse überfordert haben kann. Dann schon eher Sippenhaft und Rache für die Silvesternacht.

Derzeit wird in unserem Nachbarland (und allmählich auch in Österreich) jeder Reaktion, die nicht ins eigene Koordinatensystem passt, ein Gesinnungsmotiv unterstellt. Oder, wie im konkreten Fall in der "Welt", ein Gesinnungsmotiv zumindest in Erwägung gezogen, ehe man es verwirft.

Demokratie und Aufklärung bedürfen jedoch des Diskurses. Wo er aus Angst vor rechten Gruppierungen oder aus Angst, diesen zugerechnet zu werden, unterbleibt, entsteht eine geistige Parallelgesellschaft. Nicht allein aus diesem Grund brauchen Demokratie und Aufklärung die Auseinandersetzung. Darin sind sie der Neuen Musik verwandt.