Die US-Regierung hat in der vergangenen Woche einen umfassenden Plan zur Erforschung der Ursachen und Auswirkungen der globalen Klimaveränderung vorgelegt. Bedeutet das ein Umdenken in der Bush-Administration oder handelt es sich nur um eine Verzögerungstaktik, wie Kritiker meinen?
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Der Zehn-Jahres-Plan soll die Arbeit von 13 Bundesorganisationen bündeln, die den Klimawandel untersuchen. Bisher war die US-Regierung unter George W. Bush zum Thema Erderwärmung mehr als zurückhaltend. So wurde 2001 die Unterschrift unter das Kyoto-Protokoll, das die Reduktion von Treibhausgasen vorsieht, verweigert. Begründung: Solche Maßnahmen würden Entwicklungsländern und vor allem der US-Wirtschaft schaden.
Gleichzeitig wurde argumentiert, der Einfluss des Menschen auf das Klima sei wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen. Genau diese Zusammenhänge sollen nun mit der neuen Initiative erforscht werden. Für die meisten Klimaforscher gilt es freilich als längst erwiesen, dass die Aktivitäten der Menschen das Weltklima negativ beeinflussen. Dementsprechend skeptisch zeigen sich auch amerikanische Umweltexperten. Der Präsident der Nationalen Umweltstiftung Philip E. Clapp verglich die Vorgehensweise der Regierung mit der von Kaiser Nero: "Musizieren, während Rom brennt". Mehr Forschung sei zwar stets willkommen, aber hier gehe es nur um die Verzögerung von konkreten Maßnahmen.
Wortmeldungen von Wissenschaftlern, die an dem Projekt beteiligt sind, scheinen Clapps These zu unterstreichen. Sie leugnen zwar - anders als es die Bush-Administration lange getan hat - nicht die Klimaerwärmung, sehen aber die Ursachen als unerforscht an: Vieles sei nur Spekulation, meint William O'Keefe, Präsident des George C. Marshall-Instituts, es fehlten aber die empirischen Daten. Die zumindest sollen nicht alle erst in zehn Jahren vorliegen: "Schon" 2007 soll es genauere Zahlen über Schadstoffausstöße geben. Die Vorgaben des Strategieplanes sind der "Nationalen Akademie der Wissenschaften", einer Art wissenschaftlicher Beirat des US-Kongresses, zu vage. Für sie müsste angewandte Forschung im Mittelpunkt stehen, die direkte Entscheidungsfindung ermögliche.
Geht es aber um konkrete Entscheidungen, spießt es sich. Es sei kein Zufall, meinen Kommentatoren, dass der Klimaforschungsplan wenige Tage präsentiert wurde, bevor sich der US-Senat mit einer Vorlage zu einem Energiegesetz befasst. Die Chancen, dass der Entwurf angenommen wird, sind allerdings gering.
Dass die kontroversiellen Standpunkte der beiden großen Parteien im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfes besonders zugespitzt werden, mag einiges zu den geringen Erfolgsaussichten beitragen. Aber das von den republikanischen Senatoren geschnürte Paket ist auch zu umfangreich, um es schnell beschließen zu können, und es birgt einigen Sprengstoff in sich: Während Verdoppelung der Biosprit-Produktion, verstärkte Forschung für saubere Energie und Steuerermäßigungen für Nutzer von Hybrid-Fahrzeugen und Solaranlagen wohl auch bei Umweltschützern auf Wohlgefallen stoßen würden, schreien sie bei anderen Punkten laut auf: Erweiterung der Atomkraft; schnellere Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen; Erlaubnis von Windkraftanlagen und Kohlebergbau in Indianer-Reservaten etc.
Angeheizt wird die Debatte zusätzlich durch den Antrag von zwei Senatoren, der zwar zum Scheitern verurteilt ist, aber wiederum den Klimaschutz ins Bewusstsein rücken will: Der Republikaner John McCain und der Demokrat Joseph I. Lieberman wollen den großen Produzenten von Treibhausgasen Grenzwerte vorsetzen, mit Ausnahmeregelungen für Haushalte, Landwirtschaft und kleinere Industriebetriebe. Um die Auswirkungen zu mildern, sieht der Vorschlag "Emissionshandel" vor. Damit könnten Produzenten, denen die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoß leicht möglich wäre, ihre "Verschmutzungs-Punkte" an jene verkaufen, denen die Umstellung schwerer fällt. Über eine solche Verknüpfung von Begrenzung und Handel ("cap-and-trade") beginnen auch zehn US-Staaten im Nordosten des Landes zu verhandeln.
Der Vorstoß der beiden Senatoren ist relativ sanft - nicht nur wegen des "Emissionshandels", der Umweltschützern ein Dorn im Auge ist, die Limits würden auch in einem ersten Schritt erst ab 2010 wirksam. Aber schon dies stößt auf Widerstand. Das Kyoto-Protokoll werde damit durch die Hintertür eingeführt, ärgert sich ein republikanischer Gegner. Die Bush-Regierung ist nicht nur gegen diesen Antrag, sie lehnt auch eine Begrenzung der CO2-Emissionen überhaupt ab.
Vielleicht kann öffentlicher Druck auf die Industrie selbst mehr erreichen als all diese politischen Bemühungen. Dieser manifestiert sich - wie könnte es in den USA anders sein - bereits in Aktionärsversammlungen. 27 Prozent der Aktionäre von "American Electric Power", dem größten CO2-Emittenten des Landes, forderten den Konzern auf, mehr für den Klimaschutz zu tun. Beim Öl-Giganten Exxon waren es 21 Prozent. Und manche großen Firmen könnten sich mit dem McCain-Lieberman-Konzept bereits anfreunden.
Der Plan der US-Regierung im Internet: http://www.climatescience.gov