Wiener Konferenz über die Chancen geglückter Koexistenz. | Wien. "Im historischen Gedächtnis bleiben negative Erfahrungen stärker haften, als positive", meint Elsayed Elshahed, Leiter der "Islamischen Religionspädagogischen Ausbildung", im Hinblick auf bisherige Begegnungen zwischen Islam und Europa. Die von ihm organisierte internationale Konferenz "Europa und seine Muslime - Dimension einer Koexistenz im Schatten von Verschwörungstheorien" in der Uni Wien zeigte, dass negative Klischees die Beziehung belasten.
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Primär auf theologische Wurzeln, die im Islam eine christliche Häresie sehen, führte Udo Steinbach vom Marburger Zentrum für Nahost- und Mittelost-Studien die in Europa wachsende Islamfeindlichkeit zurück. "Je nach politischer Situation greift man auf dieses Erbe zurück", erklärte Steinbach. Jüngstes Beispiel sei der niederländische Politiker Geert Wilders, für den der Koran ein faschistisches Dokument ist. Seit Ende des Kalten Krieges werde die rote durch die grüne Gefahr ersetzt.
"Halbgelehrte bilden sich ein, sie wüssten, was der Islam lehrt, weil sie den Koran gelesen haben", meinte dazu Elshahed im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das führe zu Missverständnissen. "Koran-Interpretation ist eine große Wissenschaft. Ohne ihre Kenntnis und die Fähigkeit den Koran auf Alt-Arabisch zu lesen, kann man den Koran nicht richtig verstehen."
Störfaktor Extremismus
Für den deutschen Religionswissenschaftler Peter Antes hat heute gerade der Religionsunterricht eine wichtige Funktion. Er müsse dazu befähigen, über die eigene Religion Auskunft zu geben. "Religiöse Identität entsteht erst in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen", so Antes.
Haupt-Störfaktor beim Dialog sind für Elshahed Extremisten, "die es in allen Religionen gibt". Islamische Extremisten machten den Fehler, sich den Koran ohne Verständnis anzueignen. "Es geht nicht um die Buchstaben, sondern um ihren Sinn." Eine Theokratie sehe der Islam nicht vor: "Niemand darf im Namen Gottes handeln."
Einen Konflikt zwischen europäischem Rechtsstaat und Islam sieht Elshahed, der auch an der Al-Azhar-Universität in Kairo lehrt, nicht: "Die Gesetze jeder Gesellschaft sind zu achten. Die einzige Einschränkung wären Gesetze, die Muslime zu etwas zwingen, was gegen ihre Religion ist. Das ist in keinem einzigen europäischen Land der Fall." Auch sei das islamische Recht dynamisch und passe sich der jeweiligen gesellschaftlichen Situation an. "Kein Muslim ist gefordert, sein Recht einer Mehrheit aufzuzwingen." Wohl fordern aber einige Muslime, dass der Islam Staatsreligion wird, sobald Muslime in der Mehrheit sind.