Es darf mehr als nur eine Vertretung von Muslimen in Österreich geben - mit dieser Rechtsauffassung hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) nicht nur die Gründung der "Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft (IAGÖ)" als eigene Bekenntnisgemeinschaft ermöglicht. Gleichzeitig wurden dadurch auch Tür und Tor für die Gründung weiterer islamischer Glaubensgemeinschaften in Österreich geöffnet. Nach der Anerkennung der "Islamischen Aleviten" beantragten im Dezember 2010 noch drei weitere islamische Vereinigungen beim Kultusamt die Anerkennung als selbständige Glaubensgemeinschaften: Sunniten, Schiiten und die Initiative Liberaler Muslime (ILMÖ) wollen den Islamunterricht reformieren und zeitgemäß machen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die bisherige Rechtsauffassung, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) den einzigen Vertretungskörper aller Muslime darstellt, hat der VfGH mit aller Deutlichkeit verneint, indem er feststellte, nirgendwo sei herauszulesen, dass es nur
eine einzige Glaubensgemeinschaft des Islam geben dürfe.
IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh bestätigte diese Sicht durch seine Erklärung: "Wir hatten nie ein Monopol auf alle Muslime und wollen auch anderen islamischen Glaubensrichtungen nicht im Wege stehen, eigene Glaubensgemeinschaften zu gründen." Die IGGiÖ hätte zwar alle Muslime aller Glaubensrichtungen repräsentieren sollen. Tatsächlich hatte sie jedoch ihre eigenen Glaubensgrundlagen nie auf Deutsch veröffentlicht und beim Kultusamt hinterlegt. Die Inhalte, die der IGGiÖ-Verfassung und dem Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht zu entnehmen sind, lassen aber darauf schließen, dass bisher nur eine konservative Auslegung der sunnitischen Richtung vertreten war. In den vergangenen Jahren hat die IGGiÖ ihre Glaubwürdigkeit als religiöse Vertretung wegen ihrer andauernden Missstände und durch ihre Nähe zur Muslimbruderschaft verloren.
Dadurch hat die IGGiÖ auch keinen Rückhalt bei den mehr als 500.000 Muslimen in der islamischen Community, nur eine Minderheit der Muslime in Österreich fühlt sich von ihr vertreten. Stattdessen funktioniert der Islam in Österreich in Form unzähliger Vereine, meist nach Herkunft organisiert.
Wir Muslime erwarten, dass sich die neuen islamischen Glaubensgemeinschaften für die Erneuerung des Religionsunterrichts einsetzen. Der Staat muss sich sehr gut überlegen, wie er den freien Religionsunterricht, für den er bezahlt, so kontrollieren kann, dass die Verfassung, Gesetze und kulturellen Regeln Europas eingehalten werden. Radikale und fundamentalistische Inhalte haben keinen Platz mehr im Religionsunterricht. Die Unterrichtssprache soll verbindlich Deutsch sein.
Amer Albayati ist Journalist und Mitbegründer der "Initiative Liberaler Muslime Österreich - ILMÖ" www.initiativeliberalermuslime.org) sowie der neu beantragten "Islamischen Sunnitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich".