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Musliminnen begehren auf

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Auslandschef der "Salzburger Nachrichten".

Der Iran will weibliche Kritik an der Männerherrschaft nicht ignorieren, in Saudi-Arabien dürfen Frauen endlich Auto fahren.


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Der streng schiitisch-islamische Iran erregt Aufsehen, weil er drei Dutzend Frauen verhaften ließ, die aus Protest gegen staatliche Vorschriften kein Kopftuch trugen. Hingegen gestattet das ultrakonservativ sunnitisch-islamische Saudi-Arabien jetzt den Frauen das bisher streng verbotene Autofahren. Pikant daran ist, dass beide Staaten einander jeweils für Abtrünnige halten. "Den Islam" gibt es ebenso wenig wie einen islamischen Papst als höchste Instanz.

Seit 40 Jahren müssen Frauen im Iran ab dem neunten Lebensjahr ein Kopftuch tragen. Der Gesetzgeber bezog sich dabei auf die Vorschrift des Korans, "das Rechte zu gebieten und das Verwerfliche zu verbieten" (Sure 3, Vers 110). "Rechtes" für Frauen definiert der Koran so: Sie sollen sich in der Öffentlichkeit verschleiern, "damit man sie als ehrbar erkenne und nicht belästige" (33, 59). Daher müssten sie mit dem Kopftuch auch Hals und Ausschnitt bedecken, weil Männern die "begehrliche Lust an Frauen eingepflanzt" sei (3, 15).

Der iranische Präsident Hassan Rohani zog nun aus den Protesten der Frauen gegen den Kopftuchzwang und der wachsenden Zahl ihrer Sympathisanten einen psychologisch geschickten Schuss - ohne das Kopftuch zu erwähnen: Man müsse "sehr genau auf die Forderungen der Menschen hören, weil wir nichts erreichen können, wenn wir die Menschen nicht hinter uns haben und ihre Kritik ignorieren". Die Monarchisten hätten geglaubt, sie könnten ewig an der Macht bleiben, aber 1979 in der islamischen Revolution alles verloren, weil sie nicht auf das Volk gehört hätten. Immerhin hatte Rohani bereits 2013 der Polizei die Zuständigkeit für die Durchsetzung der Kleidungsvorschriften entzogen.

Die saudische Religionspolizei pflegte Frauen vom Lenkrad weg zu verhaften, wenn sie beim Autofahren erwischt wurden. Immerhin lockerte das Land ein bisschen das Korsett, in das der Koran die Frauen zwängt. Ohne Zustimmung und Begleitung der Männer dürfen Frauen nicht einmal das Haus verlassen. 2015 gewährte die saudische Männerherrschaft den Frauen das aktive und passive Wahlrecht - allerdings nur für kommunale Vertretungen, die über Straßenbau oder Müllabfuhr, keinesfalls aber politische Fragen entscheiden. Für die Teilnahme an diesen Wahlen brauchten sie die Genehmigung ihres Mannes oder Vormunds.

Folgerichtig ist auch die Einmischung der Saudis in den Bürgerkrieg im Jemen reine Männersache. Sie kämpfen mit den sunnitischen Regierungstruppen und schwerem Kriegsgerät aus Deutschland gegen die aufständischen Huthi, die als Schiiten Waffenhilfe vom Iran bekommen.

Wie weit der Weg des Iran und Saudi-Arabiens zu einer rechtsstaatlichen Demokratie noch ist, belegen die beiden Beispiele. Sie müssten die Aufklärung und daher die strikte Trennung von Kirche und Staat nachholen. Das scheitert am harten Widerstand des islamischen Klerus. Und sie müssten einen Kernsatz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 verwirklichen: Zu den unveräußerlichen Wahrheiten zähle, dass "Regierungen ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten".