)
Eigenverantwortung ist Teil eines Gesundheitssystems, das neben Solidarität Subsidiarität fordert. Aber die ist mit Mühe verbunden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Herr und Frau Österreicher wollen immer öfter jemanden (den guten Vater Staat), der sie an der Hand nimmt und führt - und den sie bei Misserfolg verantwortlich machen können.
Das betrifft auch Krankheitsfragen. Und nicht nur deshalb, weil unser System zunehmend unübersichtlich wird, sondern vor allem, weil Grundkenntnisse über Gesundheitsprobleme und der Umgang mit ihnen völlig verschütt gegangen sind. Es ist erstaunlich, wie oft Ärzte gerade von jungen Leuten gefragt werden, ob Fieber oder Husten ansteckend sei. Fieber ist ohnehin eine absolute Katastrophe und der wichtigste Grund, warum nächtliche Bereitschaftsdienste und Ambulanzen in Anspruch genommen werden. Legte man ein solches Verhalten auf das Wechseln einer Glühbirne um, hätten die Elektriker dieses Landes krisensichere Jobs - natürlich nur dann, wenn die Kunden nicht selbst bezahlen müssen, sondern der Staat das für sie erledigt.
Der "mündige Patient" hingegen weiß sehr oft nicht mehr (oder will es nicht wissen), wie er auf Schnupfen reagieren soll und gerät in Panik. Dann sucht er Rat in der Versorgungspyramide, und dann maximal oben, am besten in einer Spitalsambulanz, wenigstens jedoch beim Hausarzt. Dort erwartet er sich allerdings genau genommen keinen Rat, sondern sofortige Heilung. Ärzte müssen ja alles können, so sagt´s die Politik; was die Ärztekammerpolitik einschließt, die zu dieser "Alles ist möglich"-Haltung viel beigetragen hat.
Dass so ein unreflektiertes und eigenverantwortungsloses Verhalten nicht bei lapidaren Erkrankungen endet, sondern auch alle anderen Folgeerkrankungen der Zivilisation betrifft, ist klar. Wer zwanzig Jahre lang fett war, erwartet sofortige aber vor allem schmerz- und mühelose Gratis-Heilung; und die Politik wird nicht müde, das zu versprechen.
Dass das wahnsinnig viel Geld kostet, ist auch egal. Und keinesfalls darf man darüber nachdenken, ob man nicht doch die Eigenverantwortung einfordern darf. Aber, soll wirklich alles kostenlos angeboten werden? Erstaunlich, dass Staaten mit Zugangsbeschränkungen und steuernden Selbstbehalten ohne freie Arztwahl (mit sogenannten Hausarztmodellen) in der Zufriedenheit nicht wesentlich schlechter abschneiden. Wie paradox hochgeschraubt dagegen unser System ist, darüber könnten Ärzte in Fremdenverkehrsorten Bände erzählen: Vor allem von völlig verblüfften Holländern und Dänen, denen über unsere Grundversorgung vor Ort regelmäßig der Mund offen bleibt.
Interessanterweise haben diese Staaten deutlich weniger Krankenhäuser (die Hälfte bis ein Drittel!), die immer noch die teuersten Einrichtungen sind. Und weil es weniger Krankenhäuser gibt, gehen die Patienten dort auch nur hin, wenn es nötig ist. Zuvor bemühen sie sich gemeinsam mit dem Hausarzt ohne Wahnsinnsaufwand gesund zu werden - was meist gelingt!
Die Diskussion über Notwendigkeiten (Redimensionierungen) wird uns in Zeiten wie diesen wieder einholen. Und wenn dann ein paar mutige, selbst ernannte Gesundheitsökonomen - von denen es eh so gut wie keine gibt! - sich trauen, in diesem paternalistischen System die Stimme zu erheben und diese Redimensionierung fordern, dann sollte man auf politischer Ebene doch froh sein. Sonst traut sich ja eh keiner mehr.