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Wenn Jean Ziegler, Vorkämpfer der Globalisierungskritik, angesagt ist, weiß man als informierter Mensch, was zu erwarten ist. Es steht eine Kopfwäsche an - die Frage ist nur, für wen? Dass Ziegler mit den allermeisten seiner wohldurchdachten Sätze sowohl ins Schwarze als auch ins Herz des Zeitgeistes trifft, ist vorhersehbar. Denn der sonore ältere Herr ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner der meisten globalisierungskritischen Bewegungen, sei es Attac oder Occupy. Diesmal nutzte Ziegler die Wiener Medientage, die den Schweizer als Eröffnungsredner luden, um den Medien ins Gewissen zu reden. Es sei ihre Pflicht, die Systeme aufzudecken, die dazu führen, dass Menschen verhungern - denn "das Schweigen der Guten verhilft Bösen zum Sieg", sagte Ziegler. Damit hat der Soziologe natürlich recht, aber die Verantwortung liegt nicht nur bei den Medien, sondern letztlich bei jenen, die sie rezipieren - oder auch ignorieren. Bei alledem, was in den vergangenen Jahren in Österreich in Sachen Korruption geschrieben wurde, müsste man eigentlich annehmen, dass das üble Phänomen endgültig von der Bildfläche verschwunden sein müsste. Solide erstickt unter einem hohen Haufen Papier. Ist es das wirklich? Wohl kaum. Eher sind die Leser des Themas mittlerweile derart überdrüssig, dass sie alleine beim Lesen des Wortes "Untersuchungsausschuss" Stresspusteln bekommen. Denn die Realität können Medien nicht ändern, bestenfalls Bewusstsein schaffen. Die viel zitierte vierte Macht ist eine volatile, sie ist immer nur geborgt. Und wenn der Leser nicht will, nützt alles bedruckte Papier nicht.