Es mehren sich Rücktrittsforderungen: Die Vizebürgermeisterin sei nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.
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Wien. Als am Mittwoch verkündet wurde, dass Maria Vassilakou dem interimistischen Chef der Bundes-Grünen, Werner Kogler, unter die Arme greifen und eine aktive Rolle in der Bundespolitik übernehmen will, löste sie zumindest auf den sozialen Netzwerken Empörung aus: "Maria Vassilakou vertreibt gerade die letzten @Gruene_Austria-Wähler", hieß es etwa auf Twitter. Oder: "Nein, liebe Frau #Vassilakou, Sie sind nicht die Lösung. Sie sind Teil des Problems." Oder: "Wenn Frau Vassilakou wirklich Verantwortung übernehmen wollte, wäre ein Rücktritt das Richtige!" Oder: "Noch ein paar so Auftritte von Maria Vassilakou wie gestern in der #zib2 und die so genannten ,Leihstimmen‘ der Grünwähler sind auf Dauer fix bei der SPÖ ..."
Solche Töne kommen sogar aus Teilen der eigenen Partei. Dort wird vermutet, dass sich Vassilakou nur deshalb bundespolitisch ins Spiel gebracht hat, um sich selbst abzusichern. Das sieht der Politologe Thomas Hofer im Übrigen auch so: "Es ist nicht nur eine Absicherung der eigenen Position, sondern auch ein vorab Verhindern einer Rücktrittsdebatte", erklärte Hofer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
In der Zwickmühle
Evident ist für den Politologen, dass die Situation der Grünen auf Bundesebene auch die Wiener Grünen extrem schwächt. Und damit steckt Vassilakou in einer Zwickmühle: Wollen die Grünen einen Neustart hinlegen, müssten sie damit beginnen, sich stärker von den Regierungsparteien abzugrenzen. Das würde aber in Wien gleichzeitig bedeuten, dass die Grünen Oppositionspolitik machen müssten - was wiederum einen Koalitionsbruch hinauf beschwören könnte. Abgesehen davon, dass sich die Grünen primär mit der Nicht-Existenz einer Bundespartei zu beschäftigen haben.
Wie es bereits Ingrid Felipe gezeigt hat, ist es nicht möglich, von einem westlichen Bundesland aus eine Partei wieder aufzubauen. Das muss von dort aus geschehen, wo die meiste Politik stattfindet - und das ist in Wien. Ein weiterer erschwerender Punkt ist, dass Peter Pilz bei der nächsten Gemeinderatswahl im Jahr 2020 mit Sicherheit antreten und damit den Grünen erheblich zusetzen wird.
Aber bereits jetzt ist die Ausgangslage für Vassilakou keine besonders vorteilhafte: Haben die Grünen zu Beginn der Koalition mit den Roten noch wesentliche Themen gesetzt - Mariahilfer Straße, Parkpickerl, 365 Euro Jahresticket für die Öffis, Fahrradwege -, sind sie in den vergangenen Monaten hauptsächlich nur durch Negativschlagzeilen aufgefallen: Stichwort Heumarkt, Hotel Intercont und Eislaufverein. Da gab es abgesehen von der Kritik am Projekt selbst auch noch die interne Empörung über Vassilakous Ignorieren des Basisvotums über das Vorhaben. Beziehungsweise war Vassilakou bereits nach der Wahl 2015 angeschlagen, als sie trotz Rücktritts-Ankündigung bei Verlusten dann doch geblieben ist.
Laut Hofer hätten es die Wiener Grünen von Beginn der zweiten Legislaturperiode in Wien verabsäumt, sich von der SPÖ abzuheben. "Es ist nachvollziehbar, dass sie während der Bundespräsidentenwahl so agiert haben, um nicht Alexander Van der Bellen in die Suppe zu spucken. Aber spätestens nach dem Sager von Christian Kern Ende November 2016, dass es Heinz-Christian Strache in diesem Land auch nur darum ginge, das Land voranzubringen - spätestens da hätten die Grünen damit beginnen müssen, sich an der SPÖ abzuarbeiten", so Hofer.
Demnach seien die Grünen zu defensiv gewesen - und zwar jener Partei gegenüber, die sie Stimmen kosten kann. "Und damals war noch keine Rede von einem Glawschnig-Rücktritt, einem Streit mit den Jugendorganisationen oder von einem Peter-Pilz-Austritt. Dabei wäre eine Abgrenzung zur SPÖ so dringend nötig gewesen."
Und noch immer spielt die Wiener SPÖ eine tragende Rolle, wenn es um die Zukunft der Grünen in der Stadt geht. Denn es wird entscheidend sein, wie die Würfel bei der SPÖ fallen: Übernimmt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig die Partei, dann wird sich auch die Chemie in der rot-grünen Stadtregierung verändern. Denn die meisten Unterstützer von Michael Ludwig sind keine Freunde der rot-grünen Koalition. Für die Grünen würde es in diesem Fall schwieriger und vor allem konfrontativer werden.
Was allerdings laut Hofer wieder für Vassilakou sprechen würde, ist, dass sie schon zu Zeiten ihres Grün-Parteivorsitzes immer versucht habe, einen Ausgleich zwischen den sogenannten Realos und Fundis zu schaffen. Und das durchaus erfolgreich. Also eine Fähigkeit, die ihr beim Wiederaufbau der Partei zugutekommen könnte.
Mit sich selbst beschäftigt
Dass sich die SPÖ die Lage der Grünen zunutze machen könnte, um beispielsweise Themen wie den Lobautunnel durchzubringen, glaubt der Politologe übrigens nicht. Zum einen, weil Vassilakou etwa bei Umweltthemen schon immer als Pufferzone zwischen ihrer Partei und der SPÖ agiert habe. Auch hier ist sie stets um Ausgleich bemüht gewesen, habe sich nie gegen Umweltstadträtin Ulli Sima gestellt, habe es nie zugelassen, dass die Töne rauer werden. Auch nicht, wenn das die grüne Basis von ihr verlangt habe. Zum anderen glaubt Hofer deshalb nicht, dass die SPÖ die Situation der Grünen ausnützen könnte, weil sie ebenfalls zu viel mit sich selbst beschäftigt ist. "Das ist ein Problem, was die Handlungsfähigkeit der Wiener Stadtregierung derzeit generell angeht: Beide Koalitionspartner haben momentan schwer mit sich selbst zu kämpfen, um die Wogen halbwegs ruhig halten zu können. Da ist es natürlich dann schwierig, auch noch thematisch aktiv werden zu können," sagte Hofer.
Trotzdem: Für die SPÖ war Vassilakou zumindest immer berechenbar. Deswegen hat auch die Zusammenarbeit im Großen und Ganzen gut funktioniert. Und diese Berechenbarkeit könnte Vassilakou noch zum Verhängnis werden - auch gegenüber der eigenen Partei. Sofern sie es noch bis 2020 durchhält.