Irreführender Hype um Bio-Sackerl. | Statt in Kärnten Plastiktaschen zu produzieren, führen Betriebe handgenähte Beutel aus Taiwan ein.
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Wien. Der heimische Hausmüll hat ein Gesamtvolumen von 3,8 Millionen Tonnen pro Jahr. Plastiksackerln haben davon einen Anteil von lediglich rund 0,2 Prozent. Dennoch bemüht sich der Handel derzeit wild darum, sich eine grüne Weste umzuhängen - indem er scheinbar umweltfreundliche Alternativen zum Plastiksackerl anbietet. Seit September 2010 sind bei Billa Tragtaschen aus Kartoffelstärke erhältlich. Bei Spar besteht "ein Viertel aller Tragetaschen aus umweltfreundlich verrottbarem Bioplastik". Die Drogeriekette dm hat den Plastiksackerl-Verbrauch seit dem Vorjahr halbiert. Stattdessen sind Mehrwegtaschen im Vormarsch.
Und die Konsumenten? Die greifen mit gutem Gewissen zu. Was am Bio-Sackerl tatsächlich Bio ist, hinterfragt kaum jemand. Unbekannt ist den Verbrauchern auch, woher die Tragtaschen kommen.
Bei Plastiksackerln geben zwei Kärntner Betriebe - derzeit - noch - den Ton an. Zwei Drittel aller heimisch hergestellten Plastiktragetaschen werden von den Firmen Swatek aus Wolfsberg und Schluga aus St. Veit erzeugt.
Sackerl auf Kompost
Während die EU-Kommission über den Sommer ein Verbot der aus Erdöl gemachten Sackerln prüft, ist bei den Erzeugern nichts mehr, wie es einmal war. "Früher haben kleine Betriebe Taschen für zwei bis drei Jahre im Voraus bestellt. Nun sind alle vorsichtig geworden", erzählt Michael Offner, Chef der Swatek GesmbH, die etwa Spar, Kika oder Kastner & Öhler beliefert.
Die unsichere Ausgangslage in Brüssel verdammt die Hersteller zum Nichtstun und Kreativsein zugleich: Anfang des Jahres zog der Industriebetrieb Swatek mit seinen rund 50 Mitarbeitern eine Betriebsinvestition in der Höhe von drei Millionen Euro zurück. Auch das Kunststoffwerk Schluga hat Investitionen im Ausmaß von 2,5 Millionen Euro abgeblasen. "Kommt das Verbot, bricht ein Drittel unseres Umsatzes weg, ein Drittel der rund 80 Mitarbeiter müsste entlassen werden", fürchtet Firmenchef Gerd Plattner.
200.000 Plastiktaschen für Saturn, Media Markt & Co. haben bisher täglich die Schluga-Produktionshalle verlassen. Seit der Handel verstärkt Alternativen zum Plastik-Sackerl anfrägt, ist der Unternehmer dazu angehalten, Ware aus Asien zu importieren, statt selbst zu erzeugen - etwa synthetische und handgenähte Mehrwegtaschen aus Taiwan. Diese würden von Politikern aufgrund der langen Haltbarkeit als Alternative propagiert, so Plattner. Theoretisch könnte Schruga auch Taschen aus Maisstärke produzieren. "Die vierfach teurere Ware ist für kleine Firmenkunden nicht leistbar. Außerdem reicht die Rohstoff-Versorgung dafür nicht aus."
Dass landwirtschaftliche Flächen zur Produktion von Verpackungen verwendet werden sollen, macht die Hersteller stutzig. Von "Irreführung der Konsumenten" ist die Rede. Österreich habe im Vergleich zu Italien ein vorbildliches Mülltrennungssystem. Dass sich die Bio-Sackerln, so dünn wie eine Seidenstrumpfhose, auf dem Kompost nach 6 Wochen auflösen - wie oftmals behauptet -, sei ebenfalls unrealistisch, so die Hersteller. "Das gebe ja eine schöne Überraschung für die Betriebe, die die Sackerln für Monate auf Vorrat im Lager halten", so der zynische Kommentar.