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"Müssen mit Geld flexibel umgehen"

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Lewandowski prognostiziert negatives erstes Votum des EU-Parlaments.


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"Wiener Zeitung": Wie unglücklich sind Sie mit dem Kompromiss für das Budget der kommenden Jahre? Die Kommission hatte wesentlich mehr Mittel für die EU gefordert als die Staats- und Regierungschefs nun vereinbart haben.Janusz Lewandowski: Die größten Schwachpunkte haben sich schon im Vorfeld abgezeichnet. Den Haushalt müssen die Länder ja einstimmig beschließen. Und die Deutschen waren bereit, den Preis dafür zu zahlen, dass die Briten an Bord bleiben.

War dieser Preis nicht zu hoch? Was ist aus der Idee geworden, ein modernes Budget zu erstellen?

Es stimmt nicht, dass der Haushalt völlig unmodern ist. Trotz aller Kürzungen ist mehr Geld für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit vorgesehen. Und sehr wohl gab es Einschnitte bei der Agrarpolitik. Worum es aber in erster Linie geht, ist die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit. Ein Budget für sieben Jahre, selbst auf einem niedrigen Niveau, ist besser als jährlich erstellte Haushalte.

Das sieht EU-Parlamentspräsident Martin Schulz etwas anders. Und die Volksvertretung muss dem Etat zustimmen. Was erwarten Sie?

Das Parlament hat mit seiner Kritik recht. Auf der anderen Seite ist es einfacher, von einer Verschiebung der Pflichten von nationaler auf die europäische Ebene zu sprechen ohne dabei an die nötigen Mittel zu denken. Es geht um Realpolitik: Das Parlament kann nicht mehr Geld für die Union verlangen, weil zum Beispiel der britische Premier David Cameron dies in London nicht rechtfertigen kann. Bei den finanziellen Obergrenzen gibt es also kaum Spielraum. Dennoch hat Präsident Schulz immer wieder klar gemacht, dass jede Kürzung bei den Budgetplänen Stimmen im EU-Parlament kostet. Wir erwarten daher keine positive erste Stellungnahme.

Vor sieben Jahren haben Sie solche Verhandlungen auf der Seite des EU-Parlaments geführt. Damals ist es noch gelungen, mehr Geld zu bekommen.

Ja, bei den Gesprächen 2006 haben wir zusätzlich 3,5 Milliarden Euro ausverhandelt. Doch dieses Mal ist Europa nicht in der Stimmung für eine Erhöhung der Ausgaben. Allerdings gibt es Verhandlungsspielraum, das Budget flexibler zu gestalten.

Wird die Kommission bei den Forderungen nach mehr Flexibilität auf Seiten des Parlaments stehen? Und wie könnten solche Maßnahmen aussehen?

Unsere Rolle ist, kreativ zu sein. Den guten Willen des Parlaments zu wecken und zu erklären, was machbar ist und was nicht. Danach geht es um die Umsetzung der Budgetpläne. Dabei ist es umso wichtiger, flexibel zu sein, je niedriger der Haushalt angesetzt ist. Normalerweise übertragen wir sechs bis sieben Milliarden Euro von einem Jahr aufs nächste, weil wir manche Rechnungen spät erhalten. Diese Flexibilität müssen wir vergrößern, damit wir kein Geld verlieren.

Könnte dies nicht schon allein deswegen drohen, weil die Zeit für die Fixierung des Budgets knapp wird?

Schon vor der letzten Finanzierungsperiode war es knapp. Wir hatten die Verhandlungen im April abgeschlossen - für den finanziellen Rahmen, dessen Anfang im darauf folgenden Jänner war. Nun gibt es erst eine Einigung der Staaten; die Gespräche mit dem Parlament könnten sich hinziehen. Dabei müssten schon jetzt die einzelnen langfristigen Programme ausgearbeitet werden. Das ist vor allem für die Regionen wichtig: nicht nur für den Süden, sondern auch für Wales, Sachsen oder das Burgenland.

Würde es etwas bringen, dieses mühsame Ringen alle sieben Jahre abzulösen durch jährliche Budgetbeschlüsse, gefasst mit qualifizierter Mehrheit statt einstimmig?

Das wäre nur die zweitbeste Lösung. Wir brauchen eine längere Vorausschau, auch für die Kofinanzierung, die die Länder etwa für Infrastruktur-Projekte leisten müssen. Von einjährigen Budgets würden nur wenige profitieren. Und das in lediglich drei Bereichen: bei der EU-Verwaltung, beim britischen Rabatt und bei den Direktzahlungen für Bauern.

Dennoch haben wir einmal mehr erlebt, wie die Staaten in erster Linie auf ihre jeweiligen nationalen Interessen schauen . . .

In Krisenzeiten nehmen die Nationalismen meist zu. Das Problem lag also nicht unbedingt im Budget selbst, sondern im wirtschaftlichen Umfeld, in dem der Haushalt verhandelt werden musste. Die Situation hat sich stark geändert. Vor sieben Jahren noch war Europa viel optimistischer, und die Wirtschaft wuchs. Ich kann die deutschen und österreichischen Steuerzahler verstehen, die pessimistischer sind, je mehr sie von den Belastungen für die Eurozone hören.

Und wenn Sie in die Zukunft blicken könnten: Wie wird das Umfeld der nächsten Verhandlungen in ein paar Jahren sein? Wird Großbritannien noch mit am Tisch sitzen? Wird Polen schon ein Euroland sein?

Polen wird sicher ein starkes Mitglied der Eurozone werden. Aber ich nenne dafür kein Datum. In Großbritannien wird vielleicht ein Referendum über den Austritt aus der EU abgehalten werden. Diese Umstände sind also schwer vorherzusehen. Doch generell wird es eine vertiefte Union geben. Es wird wahrscheinlich eine fiskale Kapazität für die Eurozone geben. Auch arbeiten die Staaten an einer Bankenunion. Es entsteht eine neue Architektur für die Union. Denn wir brauchen mehr als Feuerwehr-Interventionen in Notfällen.