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Müssen Österreichs Notare zittern?

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft
Bei Verlassenschaftsabhandlungen haben Notare Staatsgewalt. Foto: photos.com

Verfahren wegen Vertragsverletzung im Endstadium. | Präsident der Notariatskammer: "Völlig verfehlt". | Wien. Der Kampf geht in die letzte Runde: Österreich gegen die Europäische Kommission. Streitpunkt sind die heimischen Zulassungsregeln für Notare. Diese will die Europäische Kommission kippen, notfalls auch über eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Als Grund führt sie an, dass die Einschränkung des Notarberufs auf österreichische Staatsbürger gegen die Niederlassungsfreiheit, eine der europäischen Grundfreiheiten im Binnenmarkt, verstößt.


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Diese Argumentation bezeichnet der Präsident der Österreichischen Notariatskammer, Klaus Woschnak, als "völlig verfehlt". Denn für Notare gelten Ausnahmebestimmungen. Der EG-Vertrag nimmt "Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind" von den Regeln über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aus. Die Mitgliedstaaten können diese Tätigkeiten selbst regeln, ohne dass sich die EU einmischt. Das ist eine Immunisierung der öffentlichen Gewalt vor dem Zugriff des Gemeinschaftsrechts. Der Grund ist, dass bei der Ausübung von Hoheitsgewalt ein besonderes Loyalitätsverhältnis zum Staat verlangt wird. Das ist beispielsweise bei Richtern und der Polizei der Fall.

Notare immun

Auch Notare üben Teile der Staatsgewalt aus: Sie verfassen öffentliche Urkunden und können Aufgaben der Gerichtsbarkeit wahrnehmen. Als Gerichtskommissäre führen sie beispielsweise Verlassenschaftsabhandlungen durch. Für Woschnak ist das Vorgehen der Kommission deshalb unerklärlich. "Die Kommission befindet sich im Widerspruch mit der von ihr selbst vertretenen Position", meint er überzeugt gegenüber der "Wiener Zeitung". Schließlich hatte die Kommission bei der Dienstleistungsrichtlinie anerkannt, dass die Beurkundungs- und Beglaubigungstätigkeit von Notaren unter die Ausnahmebestimmungen des EG-Vertrages fielen. Auch führende österreichische Europarechtler sprechen von einem Paradigmenwechsel im EU-Recht, würden die Zulassungsregeln für Notare tatsächlich fallen.

In der Kommission ist man anscheinend anderer Meinung. Die Vorbereitungsphase für eine Klage Österreichs vor dem EuGH ist beinahe abgeschlossen. Nach zwei Mahnschreiben hatte die Kommission die Republik in einer begründeten Stellungnahme aufgefordert, die Zulassungsregeln für Notare entweder zu ändern oder deren Beibehaltung zu begründen. Österreich hatte beide Mahnschreiben zurückgewiesen und auf die begründete Stellungnahme der Kommission negativ reagiert, so Woschnak. Mit Spannung wird nun das weitere Vorgehen erwartet. Neben Österreich droht auch zeitgleich noch fünf weiteren EU-Mitgliedstaaten eine Klage vor dem EuGH: Deutschland, Belgien, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande hatten sich so wie Österreich geweigert, den Zugang zum Notariatsamt auch für andere EU-Bürger zu öffnen. Spanien, Italien und Portugal konnten noch rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge ziehen, indem sie die Zulassungsregeln im Sinne der Kommission geändert hatten.

Viele Staaten betroffen

Auch die jüngeren Mitgliedstaaten stehen am Pranger: An Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien wurde im Oktober 2006 das erste Mahnschreiben verschickt. Ihnen bleibt deshalb noch ein bisschen mehr Zeit bis zu einer allfälligen Klage.

Ob es tatsächlich zu dieser kommen wir, ist noch nicht sicher. "Es ist fraglich, ob sich die Kommission eine Klage aller sechs Länder vor dem EuGH antun will", meinte Woschnak. Im Rat der Notare in der EU ist man jedenfalls überwiegend der Meinung, dass Brüssel bei der Regelung des Notariatsamtes nicht mitzureden hätte.