Einigungen in Teil bereichen dringend nötig. | Finanzierung von Klimaschutz ohne private Beteiligung unmöglich. | "Wiener Zeitung": Niemand erwartet von der Weltklimakonferenz in Cancun Ende November einen Durchbruch oder gar ein Folgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll. Welchen Sinn hat dieses Treffen?
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Connie Hedegaard: Es gibt Teilbereiche, in denen eine Einigung in Cancun möglich sein sollte. Dazu gehört Grundsätzliches über den Schutz der Wälder oder die Folgen des Klimawandels in ärmeren Ländern. Wir müssen auf den eher unverbindlichen Vereinbarungen von Kopenhagen im Jahr 2009 aufbauen und die maximal zwei Grad Erderwärmung als weltweites Ziel aufrechterhalten. Die konkreten Klimaschutzzusagen von über 70 Ländern, die wir seitdem erhalten haben, müssen formell aufgenommen werden.
Was passiert, wenn selbst diese niedrig gesteckten Ziele scheitern?
Wirklich viele Länder haben begriffen, dass wir den Schwung in den Gesprächen und Verhandlungen aufrechterhalten müssen. Kommen wir in Cancun nicht weiter, ist der Prozess in Gefahr.
Aber sind die UN-Klimaschutzverhandlungen nicht ohnehin schon praktisch gescheitert?
Es könnte tatsächlich manchmal so aussehen, als ob sich der Prozess gegenüber dem Vorjahr verlangsamt hätte. Damals hofften wir schließlich, die Angelegenheit in Kopenhagen zu erledigen. Aber in Wahrheit haben wir in den vergangenen zwei Jahren wesentliche Fortschritte gemacht. Im Vorfeld von Kopenhagen haben große und wichtige Länder wie Japan, Korea, Indonesien und Mexiko Klimaschutzziele zugesagt. Brasilien, Indien und am Ende sogar China folgten - die Liste ist lange und es gibt weiterhin Bewegung.
Was hat die EU aus Kopenhagen gelernt?
Wir dürfen als EU keine unterschiedlichen Botschaften mehr aussenden, sondern ausschließlich mit einer Stimme sprechen. Bisher war es manchmal so, dass Frankreich das Eine sagt, Deutschland etwas Anderes und die Kommission etwas Drittes. Diesmal haben wir unsere Position umfassend abgestimmt.
Was will die EU in Cancun?
Ich möchte nicht gänzlich verraten, welche Positionen wir eintauschen würden. Die EU ist sehr demokratisch und transparent. Jeder EU-Gipfel und Ministerrat macht Erklärungen, verteilt öffentliche Mandate. Alle können die Papiere einsehen, in denen wir unsere Taktiken andeuten. Das ist so eine Lehre die Europa grundsätzlich für Verhandlungen ziehen sollte: Manchmal machen wir es den anderen zu einfach, uns in die Karten zu schauen.
Wie soll Klimaschutz in Entwicklungsländern finanziert werden?
Über diese Finanzierung wird es in Cancun erste Gespräche geben. Es ist klar, dass es eine große private Beteiligung geben muss, wenn wir ab 2020 rund 100 Milliarden Euro pro Jahr aufbringen wollen. Der Emissionshandel oder Abgaben auf Schiffsdiesel wären Möglichkeiten. Das wird in Cancun aber sicher nicht abschließend behandelt.
Ist die Steigerung der EU-Emissionsreduktionsziele von 20 auf 30 Prozent bis 2020 vom Tisch?
Nein. Unsere Position ist noch immer die gleiche. Wenn sich andere bewegen, sich wir bereit, auf 30 Prozent zu gehen, wie wir das bereits häufig bekräftigt haben.
Aber wird es nicht immer unrealistischer, dass sich die Partner entsprechend bewegen?
Es liegt nach wie vor auf dem Tisch. Und auch abseits der internationalen Verhandlungen haben wir aufgezeigt, dass es wirtschaftlich in europäischem Interesse wäre, ambitionierter zu sein. Das brechen wir gerade auf die einzelnen Mitglieder herunter und präsentieren die Ergebnisse im Frühling. Dann werden wir unsere langfristige Strategie für eine kohlenstoffarme Wirtschaft bis 2050 inklusive einem Reduktionsziel bis 2030 überlegen. Denn wenn wir bis 2050 eine CO2-Reduktion um 80 bis 95 Prozent wollen, wie wir uns das vorgenommen haben, sind Etappenziele hilfreich. Es ist auch für die Investoren wichtig zu wissen, wie es weitergeht.
"Manchmal lassen wir uns bei Verhandlungen zu leicht in die Karten schauen."