Nur vier Prozent der Österreicher haben eine Patientenverfügung.
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Wien. Die SPÖ hat am Montag vor der heutigen Enquete-Kommission zur Sterbehilfe eine flächendeckende Palliativ- und Hospizversorgung gefordert. "Niemand soll in die Situation kommen, dass er Angst vor Schmerzen haben und in den letzten Stunden seines Lebens allein sein muss", sagte Hannes Jarolim, stellvertretender Vorsitzender der Sterbehilfe-Kommission. Verbessern müsse man zudem die Palliativversorgung und Sterbebegleitung für Kinder und Jugendliche. Darauf pochte die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig. Wie hoch werden Kosten für den Ausbau sein? Laut der Behindertensprecherin sind es 60 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr. Das ist viel Geld. Vor allem muss der Gesundheitsbereich in Österreich gegenwärtig mit einem kleinen Budget auskommen, und das Land kämpft mit einem ökonomischen Nullwachstum.
Aber an der Finanzierung dürfe es nicht scheitern. Darüber war man sich bei der SPÖ einig. Rudolf Edlinger, Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrats, forderte zudem eine Diskussion über den medizinisch-assistierten Suizid. "Ich kann mir die Frage aber selbst nicht schlüssig beantworten", sagte er weiter. Jarolim entgegnete daraufhin: "Niemand soll aus dem Leben scheiden wollen, weil die Rahmenbedingungen nicht entsprechen." Es sei eine der höchsten Aufgaben der Gesellschaft, Bedingungen für ein würdevolles Sterben ohne Schmerzen zu schaffen. Die SPÖ ist außerdem weiterhin unisono dafür, das von der ÖVP propagierte Sterbehilfeverbot nicht in die Verfassung zu heben. "Ich bin überzeugt, dass der derzeitige gesetzliche Rahmen ausreicht. Die Diskussion über einen Verfassungsrang halte ich für entbehrlich", sagte Edlinger. Auch für
Jarolim ist die Gesetzgebung ausreichend. Das Sterbehilfeverbot in der Verfassung wird es voraussichtlich ohnehin nicht geben.
Neben SPÖ sind Neos und Grüne dagegen. Die benötigte Zweidrittelmehrheit wird somit schier
unmöglich zu erreichen sein.
Keine Änderungen zuStudie von 2009
Am selben Tag wurde im Gesundheitsministerium eine Studie zur Patientenverfügung vorgestellt. Das Vorsorgeinstrument wäre der
österreichischen Bevölkerung durchaus geläufig. Aber nur sehr wenige würden auch tatsächlich eine errichten. Nur vier Prozent der Österreicher verfügen über eine solche Patientenverfügung. In absoluten Zahlen sind das 348.000 Personen. "Gegenüber der Studie aus dem Jahr 2009 hat sich nichts geändert", sagte Katharina Leitner vom Institut für Ethik und Recht der Universität Wien. Im Nachbarland Deutschland geben 15 Prozent der Bevölkerung an, dass sie eine Patientenverfügung haben. Das wären bei 80,8 Millionen Menschen doch recht respektable 1,3 Millionen der Bürger. Heute wissen noch immer 33 Prozent der Österreicher nicht genau, was eine Patientenverfügung ist, und 24 Prozent haben sogar noch nie davon gehört.
Mit einer Patientenverfügung können medizinische Behandlungen im Vorfeld abgelehnt werden. Beim seit 2006 gültigen Gesetz unterscheidet man zwischen
einer beachtlichen sowie verbindlichen Variante. Eine beachtliche Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung, mit der der Patient festhält, im Fall einer tödlichen Erkrankung, Verletzung oder Bewusstlosigkeit auf künstliche lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten und Schmerzen zu lindern. Der Arzt hat sich danach zu richten. Das trifft auch auf die verbindliche
Patientenverfügung zu. Mit dem Unterschied, dass diese vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder vor einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretung errichtet werden muss und die abgelehnten Maßnahmen konkret beschrieben werden. Davor braucht es ein Arztgespräch.
Die Variante muss alle fünf Jahre erneuert werden. Das kann teuer werden. Nur drei Prozent mit einem Nettoeinkommen von 1250 Euro haben deswegen eine Patientenverfügung. In Niederösterreich, Wien, Burgenland, Vorarlberg, Tirol und Salzburg gibt es die Möglichkeit, den juristischen Teil kostenlos durchzuführen, der mehrere hundert Euro kosten kann. In Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark betrifft das nur sozialbedürftige oder rezeptbefreite Einwohner. Das Aufklärungsgespräch mit dem Arzt kostet zwischen 50 und 150 Euro - der Eintrag in das Notariats- oder Rechtsanwaltsregister 18 Euro. "An den Arztkosten soll sich die Sozialversicherung beteiligen", sagte Gerhard Aigner vom Gesundheitsministerium.
Aus der Studie geht außerdem hervor, dass es in den Gesundheitsberufen an Information über die Patientenverfügung mangelt. "Die Menschen brauchen Mut zur Selbstbestimmung", sagte Aigner. Um diese zu fördern sowie einen reibungslosen Arbeitsalltag für die Gesundheitsberufe zu gewährleisten, bräuchte es einen ständigen Dialog zwischen allen Beteiligten, die mit einem Patienten an der Verfügung arbeiten. Und ein Bewusstsein bei Arzt und Patient, welche Bedeutung dieses Vorsorgeinstrument inne hat.