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Mut zur Wahrheit - Strache entlarven

Von Othmar Karas

Gastkommentare

Der FPÖ-Chef ist ein Brandstifter, der zugleich Feuerlöscher verkaufen will. Er macht Angst, an der er dann verdienen will. Er schürt Egoismen und verschweigt, dass Solidarität letztlich auch uns nützt.


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Dieser Gastkommentar ist eine Replik auf den Leitartikel 'Hilflose Retter Europas' von Walter Hämmerle ("Wiener Zeitung", 9. Juni 2011).

Mir wurde vorgeworfen, durch vorschnelles Ausgrenzen Heinz-Christian Straches dessen Aufstieg bei Wahlen und Umfragen noch zu befördern. Anlass war sein erster Besuch im EU-Parlament, der mit einem Eklat wegen einer Entgleisung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der rechtsextremen Marine Le Pen endete. Ich hatte daraufhin gesagt: Wer die EU grundlegend in Frage stellt und im Widerspruch zu unseren europäischen Werten Politik macht, sich aber zugleich der EU-Foren bedient, "missbraucht" diese. Ich grenze nicht aus, sondern positioniere mich klar. Ich setze mich auseinander, statt vor einer solchen Politik feig zu kapitulieren.

Was der Schreiber des Leitartikels nicht wusste: Strache hat wortwörtlich gesagt: "Die EU ist totalitär." Und: "Im EU-Parlament sind keine wirklichen Volksvertreter." Solche Äußerungen sind haarsträubend und zeugen von einem seltsamen Demokratieverständnis. Wer wirklich im EU-Gesetzgebungsprozess mitarbeitet, weiß, dass es kaum kakofoner zugehen könnte. Und wer einem direkt gewählten Parlament die demokratische Legitimation abspricht, muss sich die Frage gefallen lassen, wie er es eigentlich mit der Demokratie hält.

Das eigentliche Problem sind aber nicht Straches Entgleisungen, sondern feige Politiker, die sich hinter dem imaginären Wähler verstecken. Es ist absolut richtig, dass es Aufgabe der Politik ist, Antworten auf rationale wie irrationale Sorgen und Ängste der Bürger zu finden. Dass heißt aber nicht, immer den niedersten Beweggrund beim Bürger anzunehmen. Es ist auch Aufgabe des Politikers, für das zu werben, was er selber als richtig und notwendig erkannt hat.

Will "der Wähler" wirklich lieber Grenzkontrollen innerhalb der EU als eine gemeinsame Migrationspolitik oder ein Hilfspaket für Nordafrika? Will er wirklich lieber auf die Gemeinschaftswährung Euro verzichten als verschuldete Mitgliedsstaaten solidarisch zu drängen, die dringend erforderlichen Reformen umzusetzen? Ist er wirklich unfähig, übergeordnete Interessen als seine eigenen zu begreifen? Will er wirklich lieber 27 verschiedene nationalstaatliche Außen- und Verteidigungspolitikchen als eine starke gemeinsame EU-Sicherheits- und Außenpolitik?

Es scheint tatsächlich Politiker zu geben, die sich selber nicht zutrauen, erklären zu können, warum es unser ureigenstes Interesse ist, solidarisch mit den anderen in der EU zu sein. Ein Politiker, der meint, ein kurzfristiges Interesse sei dem Wähler näher als ein langfristiges Projekt, ist entweder zu feige zu erklären, was er selber als richtig erkannt hat, oder er hält die Menschen für dumm. Oder er ist außerstande, die langfristigen Ziele unserer Gesellschaft zu erkennen und Zukunftsverantwortung zu übernehmen. Ehrlichkeit in der Politik heißt für mich auch, den Bürgern komplizierte Wahrheiten zuzumuten. Mut ist gefragt, nicht Feigheit. Verantwortungsbereitschaft, nicht Oberflächlichkeit.

Othmar Karas ist Vizepräsident der EVP-Fraktion im EU-Parlament.