CDU-Kandidat Pätzold in Ostberliner Linken-Hochburg auf Stimmenfang.
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Berlin. Beim Bürgerfest der CDU stehen Buden der "Freunde des Tierparks" und der "Geschichtsfreunde Karlshorst", es gibt Jazz, Bier und Bratwurst für die Großen, Clowns, Ponyreiten und Hüpfburg für die Kleinen. Seit morgens um 10 Uhr verteilt Martin Pätzold Flugblätter im bürgerlichen Berliner Stadtteil Karlshorst und spricht mit potenziellen Wählern. "Ich habe heute schon mindestens 80 Hände geschüttelt", erzählt der CDU-Bundestagskandidat sichtlich stolz. Viele wollen wissen, ob es stimmt, dass er in Moskau geboren ist. Dann lächelt der 29-Jährige und erzählt, dass sein Vater Auslandskorrespondent in der UdSSR war. Aufgewachsen sei er aber in Berlin, hier im Wahlkreis Lichtenberg. Dann fragt er zurück, will wissen, was denn die Menschen im Kiez bewege? Schnell ist man beim öffentlichen Nahverkehr, der wegen Bauarbeiten unregelmäßig läuft, beim Tierpark, der angeblich geschlossen werden soll, oder bei den steigenden Mieten. Gespräche über große Probleme wie die Eurokrise werden selten angeschnitten.
Der Bezirk mit sehr unterschiedlichen Stadtteilen wie Lichtenberg, Karlshorst oder Rummelsburg hat eine wechselvolle Geschichte: rote Arbeitergegend in der Weimarer Republik, kommunistischer Widerstand im Dritten Reich, Residenz der sowjetischen Militärverwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg, Sitz der Stasi-Zentrale in der DDR, Neonazi-Hochburg nach der Wende. Heute noch leben viele Ex-Mitarbeiter der DDR-Nomenklatura im Bezirk, die meist links wählen. Er habe im Wahlkreis als Christlich-Konservativer keine Schwierigkeiten, sagt Pätzold: "Im Gegenteil, ich bekomme viel positive Resonanz, Sie dürfen nicht vergessen, dass ich im Bezirk ja schon lange politisch aktiv bin." Über den Sport kam Pätzold zur Schülerunion, wurde CDU-Mitglied, engagiert sich als Jugendtrainer beim Tischtennis, als Funktionär im Bezirkssportbund und bei Sozialprojekten. Seit 2011 arbeitet er als persönlicher Referent des Berliner Staatssekretärs für Soziales.
Pätzold ist zuversichtlich, besser abzuschneiden als seine Vorgängerin. Die konnte 2009 im rot dominierten Wahlkreis für die CDU gerade mal 16,3 Prozent der Zweitstimmen holen. Seine Konkurrentin ist Gesine Lötsch von der Linkspartei, die als Direktkandidatin vor vier Jahren auf über 47 Prozent kam. "Das Ergebnis habe ich zwar geerbt, aber das ist schließlich ein politischer Wettbewerb und der ist noch nicht entschieden", sagt Pätzold optimistisch. Mit Platz sieben hat er auch die Aussicht, über die Landesliste in den Bundestag zu kommen. Leichter macht er sich den Wahlkampf gegen Lötsch aber deswegen nicht. Mehr als 100 öffentliche Einrichtungen hat er in den letzten Monaten besucht, um sich als Polit-Youngster vorzustellen - von der Kita über Selbsthilfeprojekte oder Seniorenheime. Und nun zeigt er sich volksnah auf dem Bürgerfest. Kaum sitzt Pätzold zwei Minuten beim Interview, kommt auch schon ein älterer Herr an den Biertisch und will ihn in einer ganz persönlichen Angelegenheit sprechen. Pätzold entschuldigt sich und wendet sich dem neuen Gesprächspartner zu. Die 81. Hand, die er heute schüttelt.