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Aus aktuellem politischem wie gesamtgesellschaftlichem, aus nationalem wie europäischem Anlass kann es ganz nützlich sein, wenn man sich wieder einmal über Grundsätzliches unterhält. Und womöglich sogar verständigt.
Mut, das ist die Bereitschaft zum Risiko, der Wille, etwas, das einem lieb und wert ist, aufs Spiel zu setzen. Mit der wohlkalkulierten Aussicht, im Gegenzug für diesen Einsatz etwas Wichtiges oder Wertvolles zu gewinnen. Der Unterschied zum Leichtsinn ist dabei kategorisch, dem Übermut fehlt es im Vergleich zum Mut an Verantwortung - für sich selbst und für andere. Leichtsinn geht ins Risiko, spielerisch, aus purer Lust, ohne sich jedoch über die Last möglicher Folgen im Klaren zu sein.
Mut gibt es aber nicht nur im Handeln, vor der Tat steht das mutige Denken. Dies bedeutet für die Gedanken, das sichere Gelände zu verlassen, dorthin zu gehen, wo in vermintem Gebiet Gefahren lauern, wo es wehtut; die Schmerzen sollen allerdings nicht zuallererst die anderen spüren, die Stoßrichtung eines solchen mutigen Denkens ist gegen den Denker selbst gerichtet. Nichts ist einfacher, als die Fehler in den Gedanken der anderen aufzuspüren, die Kunst liegt darin, die möglichen Mängel in den eigenen Überzeugungen aufzuspüren, diese nicht nur anzusprechen, sondern auch zu wagen, aus der Konfrontation mit diesen Widersprüchen Neuland zu betreten.
Dieser Mut, in Gedanken, Worten und Taten das eigene Denken herauszufordern, ist in der Gegenwart nicht allzu weit verbreitet. Viel beliebter - und
für alle Beteiligten sicherer und angenehmer - ist es, in den abgesteckten Bahnen des Erwartbaren zu bleiben. Der Applaus der jeweiligen Seite ist einem so gewiss, und das Publikum, wir Bürger, wird so auch nicht über die Maßen gedanklich Anstrengungen ausgesetzt.
Solches Denken von Politikern zu verlangen, die um Wählerstimmen werben und zu diesem Zweck Kompliziertes möglichst einfach auf den Punkt bringen müssen, wäre ungerecht und auf jeden Fall eine tatsächliche Überforderung. Wenn Politiker es trotzdem tun, gilt es, den Hut zu ziehen.
Doch nach bisherigen Erfahrungen agieren Politiker selten als Avantgarde. Es ist daher Aufgabe von Denkarbeitern, von Wissenschaftern, Literaten, Philosophen, gerne auch Journalisten, den Boden für politisches Handeln aufzubereiten. Allerdings findet sich auch in diesen Kreisen wenig Bereitschaft, in Gedanken dorthin zu gehen, wo es einem selbst wehtut. Viel lieber setzt man seine ganze Energie dafür ein, nach dem Applaus der eigenen Seite zu heischen. Das hat nichts mit Mut zu tun, sondern ist eigentlich ziemlich feige.