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Mutterleib auf Miete

Von Petra Tempfer

Politik

Leihmutterschaft ist in Österreich verboten. Durch Leihmütter im Ausland kann man das aber leicht umgehen.


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Wien. Mater semper certa est. Die Mutter ist immer sicher. Dieser Rechtsspruch der alten Römer gilt schon lange nicht mehr. Am deutlichsten wird die Ungewissheit darüber, wer die Mutter ist, bei der Leihmutterschaft. Diese ist zwar in Österreich genauso wie in Deutschland verboten - in Berlin finden aber dennoch am 18. und 19. Februar erstmals "Kinderwunschtage" statt, bei denen laut Aussendung die anwesenden Ärzte, Organisationen und Kliniken auch die Leihmutterschaft als mögliche Variante präsentieren werden. Denn selbst wenn Länder diese verbieten, so kann man das Gesetz leicht umgehen: über Leihmütter, die das Kind im Ausland bekommen. Das Geschäft mit ausländischen Leihmüttern boomt.

"Die Leihmutterschaft findet als Verfahren der Reproduktionsmedizin in zunehmendem Maß Verbreitung", heißt es in einer Studie über Leihmutterschaft in der EU. Und weiter: "Die Anzahl der Organisationen, die Leihmutterschaften anbieten, (. . .) nehmen deutlich zu."

Auswahl hinsichtlich Alter, Herkunftsland, Ausbildung

"Wunschkind mit Leihmutter - Große Leihmutterauswahl in USA", "Leihmutter Agentur" und "Leihmütter - Preis von 25.700" sind nur einige der Anzeigen, die die Internetsuchmaschine Google auflistet. Sogar Agenturen mit Niederlassungen in Deutschland sind darunter. Leihmütter würden individuell ausgesucht, heißt es auf den Homepages. Sämtliche Wünsche hinsichtlich Herkunftsland, Alter, Körperbau, Religion und Ausbildung würden berücksichtigt. Die Leihmütter kommen hauptsächlich aus den USA, der Ukraine, Indien und Südafrika. Der Markt für Leihmutterschaft in Indien beträgt laut dem Verein Aktion Leben Schätzungen zufolge 2,3 Milliarden Dollar.

In Österreich sind Agenturen wie diese verboten, Ärzte dürfen aber Leihmütter empfehlen. Zuletzt ermittelten die Behörden 1996 gegen eine Leihmutteragentur in Linz, die die Vermittlung ungarischer Leihmütter anbot. Die Höchststrafe für Vermittlungen dieser Art lägen bei umgerechnet rund 36.000 Euro, hieß es damals. Und dennoch kann man auch in Österreich Leihmütter in Anspruch nehmen - und zwar auf völlig legalem Weg.

Denn die Leihmutterschaft ist hier zwar laut Fortpflanzungsmedizingesetz indirekt verboten, wonach die Mutter eines Kindes immer jene Frau ist, die es geboren hat - Kinder einer Österreicherin, die von einer ausländischen Leihmutter in einem anderen Staat geboren wurden, können aber dennoch der Auftragsmutter zustehen. Voraussetzung ist, dass diese nach dem Recht des ausländischen Staates als Mutter gilt. Die Leihmutter muss dafür durch einen Vertrag auf das Kind verzichten. Dann wird die Auftragsmutter in die Geburtsurkunde eingetragen - so, als ob sie selbst das Kind geboren hätte. Wird dieses dann in Österreich im Personenstandsregister verzeichnet, so steht ihm die österreichische Staatsbürgerschaft zu.

Das hat auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor fünf Jahren in einem Erkenntnis festgestellt, als es um den Fall einer US-amerikanischen Leihmutter ging. Eine Österreicherin, die nach der Entfernung der Gebärmutter keine Kinder bekommen konnte, ließ diese mit ihren Eizellen und den Samenzellen ihres Mannes in vitro zeugen und von der Leihmutter austragen. Nach den Geburten 2006 und 2009 stellte ihnen der Magistrat der Stadt Wien jeweils einen Staatsbürgerschaftsnachweis aus.

Das missfiel dem Innenministerium, als es 2009 über einen Kindergeld-Antrag von der Sache erfuhr. Das Magistrat erkannte den Kindern 2010 die Staatsbürgerschaft wieder ab. Die Leihmutter gelte als deren Mutter, hieß es. Die Beschlüsse der US-Gerichte, wonach die Österreicherin und deren Mann die Eltern waren, wollte man nicht anerkennen. Dem trat der VfGH entschieden entgegen. Die Behörden hätten "Willkür geübt", steht im Erkenntnis, indem sie das "Wohl des Kindes" außer Acht gelassen und die Rechtslage "gehäuft verkannt" hätten. Die Kinder erhielten ihre Staatsbürgerschaft wieder.

"Es geht um rein wirtschaftliche Interessen"

Aktion Leben kann das nicht nachvollziehen und fordert vorerst ein klares Leihmutter-Verbot in der österreichischen Verfassung, schließlich eines auf europäischer Ebene und letztlich ein weltweites Verbot. "Bei der Leihmutterschaft geht es um rein wirtschaftliche Interessen", sagt Generalsekretärin Martina Kronthaler zur "Wiener Zeitung".

"Frauen werden benutzt, viele wissen gar nicht, was eine Leihmutterschaft bedeutet." Tatsächlich sei diese oft mit Fehlgeburten, Totgeburten und Embryonenreduktionen verbunden. Bei Letzteren werden Föten, da meist mehrere Embryonen eingepflanzt werden, abgetötet, damit es zu keinen Mehrlingsgeburten kommt. "Die wollen die wenigsten Auftragseltern."

Das neueste Marktmodell sei, dass Agenturen Leihmütter vermitteln, die das Kind auf natürlichem Weg bekommen und nicht per Kaiserschnitt, wie es bisher stets üblich war. Leihmütter müssten bei diesem neuen Modell nicht nur die extreme Form des Benützt-Werdens aushalten, sondern auch die Geburt, so Kronthaler. "Wo bleibt da der Mensch, die Frau?"

Vor allem aber litten auch die Kinder der Leihmütter unter der Trennung von diesen, sagt Kronthaler. "Sie erwarten, dass sie nach der Geburt die Stimme und den Herzschlag der Mutter spüren, ihren Geruch wahrnehmen. Dass sie sofort getrennt werden, kann traumatisierend für sie sein." Denn die Auftragsmütter, die bei der Geburt oft dabei sind, nehmen das Kind zumeist gleich mit. Kronthaler erinnert sich an mehrere Fälle, in denen die Leihmütter ihr Baby nicht hergeben wollten - aber mussten, denn so stand es im Vertrag.

Das Grundproblem sei, dass es der Gesellschaft nur noch ums Besitzen gehe, sagt Kronthaler. Jeder wolle alles haben - und das zu jedem Preis. Manchmal sei es aber sinnvoller und auch notwendig, etwas - zum Beispiel Unfruchtbarkeit - zu akzeptieren.

Leonhard Loimer von der Kinderwunschklinik Wels, der etwa fünf Leihmutterschaften pro Jahr vermittelt, sieht das weniger eng. "Wir sind mit einem Paar befreundet, das zwei Leihmütter-Kinder hat. Sie haben eine extrem liebevolle Beziehung. Mit 16 ist es jedem Kind wurscht, wer es ausgetragen hat", sagt er. Die Position von Aktion Leben hält er für "extrem familienfeindlich". Er habe 13.000 Kinder auf die Welt gebracht, die es sonst nicht gäbe. Und wie steht es um die Leihmütter selbst? "Es gibt ja Frauen, die wahnsinnig glücklich in der Schwangerschaft sind, und die das gerne für andere machen."

Schwule Paare als potenzielle Kunden

Loimer arbeite aber ausschließlich mit den USA zusammen, weil er nur so Transparenz und Rechtssicherheit gewährleisten könne, wie er sagt. "Das Ganze läuft professionell ab mit Anwalt und Vertrag." Es koste zwischen 60.000 und 80.000 Dollar (75.440 Euro), etwa die Hälfte davon bekomme die Leihmutter.

Patientinnen, die nur deshalb eine Leihmutter wollen, weil sie selbst schlank bleiben möchten, behandle er nicht, so Loimer. Es müsse eine medizinische Indikation vorliegen. Mit Ländern wie Indien, "wo es Häuser gibt, in denen Frauen neun Monate lang ihre Kinder austragen", arbeite er ebenfalls nicht zusammen. Leihmütter seien dort freilich nur halb so teuer. Georg Freude, Präsident der In-vitro-Fertilisation-Gesellschaft, vermittle aus denselben Gründen nur Leihmütter aus den USA, wie er sagt.

Auch für schwule Paare eröffnet die Leihmutterschaft ungeahnte Möglichkeiten. Weltweit sind die Homosexuellen-Bewegungen daher mehrheitlich für die Leihmutterschaft, die Homosexuelle Initiative (Hosi) Wien lehnt diese zum Schutz von Frauen vor Ausbeutung aber ab. Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitees Lambda, das Homosexuelle rechtlich berät, bezweifelt allerdings, dass man selbst durch ein weltweites Verbot das Geschäft mit den Leihmüttern verhindern könnte. "Daher sollte es so bleiben, wie es ist", sagt er. "Wenn Kinder von Leihmüttern im Ausland ausgetragen wurden, sollte Österreich diese anerkennen." Alles andere widerspreche dem Kindeswohl. Denn ein Kind, das von einer Leihmutter ausgetragen wurde und nicht bei den Auftragseltern aufwachsen darf, lande im Heim.

Zur rechtlichen Situation in Österreich ganz allgemein: Seit der Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes Anfang 2015 sind die Samenspende an lesbische Paare und die Eizellenspende erlaubt, die künstliche Befruchtung wurde somit auch Homosexuellen möglich. 2015 nahmen diese der Statistik des In-vitro-Fertilisation-Fonds zufolge 6153 hetero- und homosexuelle Paare in Anspruch. Das ist ein beträchtlicher Anstieg gegenüber den Jahren davor, als es konstant rund 5200 Paare jährlich waren. Das Plus könnte unter anderem auf lesbische Paare zurückzuführen sein. Das Adoptionsverbot für Homosexuelle ist mit 1. Jänner 2016 gefallen. Für die Leihmutterschaft mit einer ausländischen Leihmutter bedeutet das, dass der biologische Vater ohnehin als Vater gilt und sein Partner das Kind adoptieren kann.

Seit der Zeit der alten Römer hat sich also viel geändert. Bezüglich des Vaters war indes schon damals klar: Pater semper incertus est. Der Vater ist immer ungewiss.

Die Rechtslage in Europa ist uneinheitlich. In 18 der 28 EU-Mitgliedstaaten ist die Leihmutterschaft verboten, dazu zählen Österreich, Deutschland und seit 2004 Italien. Jene Länder, die Leihmutterschaft unter bestimmten Bedingungen (etwa, dass sie unentgeltlich oder nicht kommerziell betrieben wird) dulden, sind unter anderen Griechenland, Irland, Belgien, Großbritannien und die Niederlande.

Außerhalb Europas sind Leihmütter vielerorts anerkannt, ein regelrechtes Geschäft mit diesen entstand in den USA, Russland, der Ukraine, Indien und Südafrika. Thailand hat die kommerzielle Leihmutterschaft 2015 verboten, als eine Leihmutter für ein australisches Paar Zwillinge gebar, von denen eines Trisomie 21 hatte. Das Paar wollte nur das gesunde Kind, das kranke blieb bei der Leihmutter, die Empörung war groß.

Medizinisch gesehen gibt es mehrere Möglichkeiten: Der Embryo mit dem genetischen Material der Auftragseltern wird nach einer In-vitro-Fertilisation (IVF) der Leihmutter implantiert. Diese kann auch nur mit dem Samen des Auftragsvaters inseminiert werden. Am häufigsten wird bei der Leihmutter die Eizelle einer fremden Frau nach einer IVF meist mit dem Samen des Auftragsvaters implantiert. Das Kind hat dann theoretisch drei Mütter.