Sachverständiger Martin Geyer bleibt bei Hauptvorwürfen. | "16,42 Millionen Euro Gewinn nicht nachvollziehbar." | Wiener Neustadt. Im Strafprozess um den Zusammenbruch der alten, börsennotierten Medienhandelskette Libro gegen André Rettberg & Co. ging es am Dienstag ans Eingemachte. Denn in vierzehn Tagen soll das Urteil gefällt werden. Im Mittelpunkt des 31. Verhandlungstages stand die Expertise des Gerichtssachverständigen Martin Geyer. Die Anwälte der fünf Angeklagten, denen wegen des Verdachts der Bilanzfälschung, der Untreue und des Betrugs im Zusammenhang mit den Libro-Börsengang 1999 bis zu zehn Jahre Haft drohen, haben Geyer mit einer Lawine an Fragen eingedeckt; auch Richterin Birgit Borns und Staatsanwalt Johann Fuchs forderten Antworten ein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
So wollte die Richterin wissen, wie hoch der ausgewiesene "nicht nachvollziehbare Gewinn" gewesen sei. Laut Geyer betrug der "nicht nachvollziehbare Gewinn" in einem Einzel-Jahresabschluss von Libro umgerechnet 16,42 Millionen Euro, davon wurden 2,68 Millionen Euro zu viel an Steuern entrichtet.
"Die Investitionskosten waren deutlich zu niedrig angesetzt", sagte Geyer. So seien pro Quadratmeter in einer Filialkategorie 526 Euro Investitionskosten veranschlagt worden, tatsächlich wurden aber rund 899 Euro berappt. Zwar hält Geyer Rettbergs Mietkostenberechnungen für plausibel, aber insgesamt seien für die Expansion - damit ist auch das Filialabenteuer in Deutschland gemeint - "keine letztgültigen Planungszahlen vorhanden" gewesen.
Apropos Expansion nach Deutschland: Die fünf Angeklagten André Rettberg und Co-Manager Johann Knöbl, die Aufsichtsräte Kurt Stiassny und Christian Nowotny sowie der Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann berufen sich dabei immer wieder auf ein Gutachten des Wirtschaftsberatungsunternehmens KPMG, das vom heutigen Hypo-Alpe Adria-Banker Gottwald Kranebitter erstellt wurde.
"Ja, das KPMG-Gutachten hat allen Anforderungen der Kammer der Wirtschaftsprüfer entsprochen, es war methodisch richtig", konstatierte Geyer. Nachsatz: "Die KPMG hat sich nur sehr oberflächlich mit den Verlusten in Deutschland beschäftigt." Auch treffe es zu, dass die KPMG selbst im Bewertungsgutachten die angepeilte Betriebsergebnis-Marge (vier Prozent) festgelegt, und den Kapitalisierungszins (zehn Prozent) bestimmt habe.
Sonderdividende hat Existenz nicht bedroht
Indes rückt Geyer von seinem Hauptvorwurf nicht ab. "Ich gehe nach wie vor davon aus, dass ein objektiver Unternehmenswert nach dem Handelsgesetzbuch und nicht ein subjektiver Unternehmenswert zu bilanzieren war", untermauert der Sachverständige seine Sicht der Dinge.
Auch zur umstrittenen Sonderdividende (rund 32 Millionen Euro), die an die Altaktionäre ausgeschüttet wurde, nahm der Gutachter Stellung. "Durch die Ausschüttung der Sonderdividende war die wirtschaftliche Existenz von Libro nicht bedroht", erklärte Geyer. Die für diese Ausschüttung aufgenommenen Kredite "fanden Deckung in den bestehenden Kreditrahmen".