Mit Marx für den Markt - Jobkiller hier, Armutskiller dort: Beim Thema Globalisierung trennen die Agenda Austria und Attac Welten.
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Wien. Das "Handbuch der intellektuellen Selbstverteidigung" des wirtschaftsliberalen Think Tanks Agenda Austria ist voll von Lobliedern auf den freien Markt. Wenn es um die Globalisierung geht, wird die Agenda geradezu hymnisch. Dem "Mythos" von der Globalisierung, die angeblich unsere Arbeitsplätze bedroht, stellt die Agenda ihre "Realität" entgegen: "Die Globalisierung schafft Wohlstand für alle."
Das mag vermessen klingen angesichts der über 400.000 Arbeitslosen in Österreich; angesichts der Fabriken, die bei uns schließen, während die Meerstraßen für die Containerschiffe aus China langsam zu eng werden. Doch für die Agenda lässt sich die befreiende Wirkung des Weltmarktes für die dauerhafte Steigerung des Wohlstands statistisch beweisen: Die extreme Armut sei durch die Globalisierung von mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 1980 auf heute unter 20 Prozent gesunken.
Was hilft die Globalisierung einem Arbeitslosen?
Doch was hat ein österreichischer Arbeiter von der Globalisierung, wenn sein Job in ein Billiglohnland abwandert? Was ein Arbeiter im Billiglohnland, der sich ausbeuten lassen muss?
Ohne ausländische Investments hätten es die Menschen in Billiglohnländern sicher nicht besser, argumentiert die Agenda. Findet es statt, würde die Nachfrage auch nach Waren aus hoch entwickelten Ländern wie Österreich steigen. Führt man den Ansatz zu Ende, müsste sich der arbeitslose Österreicher freilich höher qualifizieren, um die neue Nachfrage befriedigen zu können.
Die Agenda ruft den britischen Ökonomen David Ricardo und sein Modell der komparativen Kostenvorteile als Zeugen. Demnach profitieren zwei Länder immer vom Handel, wenn sie sich spezialisieren.
"Die Globalisierung hebt den Lebensstandard weltweit - außer in jenen Ländern, die sich ihr entziehen wollen", lautet das Fazit des Think Tanks, der nicht nur die Wohlstandsmehrung dem freien Welthandel zuschreibt, sondern sogar die Demokratisierung. Diese sei ein "Produkt der Globalisierung", der Zusammenhang zwischen "Wirtschaftsentwicklung und Demokratie" sei evident.
Und fast ketzerisch bemüht die Agenda den Vater des Sozialismus, Karl Marx, und dessen Kapitalismusanalyse im "Kommunistischen Manifest": "Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen für alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation." Damit ist die Marx-Verehrung schon wieder zu Ende, dieser habe nämlich im nächsten Schritt den Untergang des Kapitalismus vorausgesagt - stattdessen wurde die Globalisierung zur Erfolgsgeschichte.
"Die Bilanz fällt aus Sicht derArmen verheerend aus"
Und jetzt zur Gegen-Attacke. Seit 16 Jahren wettern die Globalisierungskritiker von Attac gegen die "Auswüchse" des freien Handels. "Nach 30 Jahren neoliberaler Globalisierung fällt die Bilanz aus Sicht der Armen verheerend aus", sagen die Ökonomen von Attac Österreich.
Wie passt das mit der Armuts-Statistik der Agenda zusammen? "Der Großteil des Rückgangs wird von einem einzigen Staat getragen, nämlich China." Rechne man das Land heraus, ist die Zahl der Menschen, die von weniger als einem Dollar leben müssen, während der 1990er Jahre gestiegen." China ist für Attac - zusammen mit Russland - außerdem der Beweis dafür, dass die "neoliberale Globalisierung" nicht zur Demokratisierung führe. Sowohl in der chinesischen "Werkbank der Welt" als auch beim russischen Exportweltmeister will Attac noch nicht viel von echter Demokratie bemerkt haben.
Die Globalisierungskritiker sind nicht grundsätzlich gegen freie Märkte. Aber: "Weltweit haben zwar einige Staaten von der Globalisierung profitiert, aber deutlich mehr Länder sind zurückgefallen." In Senegal sei der Öffnung der Märkte ein Drittel der Industriejobs zum Opfer gefallen. Lateinamerika sei auf den Status eines Rohstofflieferanten zurückgefallen, wie zu Zeiten der Kolonialisierung. Das Fazit von Attac: "Globalisierung ist kein prinzipielles Übel, sondern hat das Potenzial, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Dazu muss sie allerdings grundlegend anders gestaltet werden, als das bisher der Fall ist." Die aktuelle, finanzmarktgetriebene Globalisierung des Weltmarkts, wie sie Agenda Austria vertrete, sei alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Sie habe zu einer gewaltigen Umverteilung zugunsten einer winzigen Elite geführt und ganze Kontinente in ihrer Entwicklung zurückgeworfen.
Für die Agenda wäre "Protektionismus" also der Schutz der eigenen Märkte vor der ausländischen Konkurrenz, das viel größere Übel. Gerade für Menschen in unterentwickelten Regionen seien freie Märkte die einzige Plattform, ihre Produkte abzusetzen und zu bescheidenem Wohlstand zu kommen. Diesen Handel zu verbieten, hält die Agenda für "asozial". Der Globalisierung müsse man sich stellen - oder wie die Ikone der Wirtschaftsliberalen, Margaret Thatcher, sagte: "There is no alternative." Wegen der Öffnung der Finanzmärkte ist Thatcher für Attac & Co noch immer Feindbild Nummer eins. Aber das ist eine andere Geschichte.