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Mythos und Gegenwart

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Österreichs politische Elite macht es ihren professionellen Beobachtern beim besten Willen nicht leicht. Da ist auf der einen Seite die fast schon aufreizend beschränkte Art und Weise, wie hierzulande die brennenden aktuellen Fragen der öffentlichen Angelegenheiten abgehandelt werden.


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Ohne jeden Esprit und frei von jeglichem Anspruch, eine kritische Öffentlichkeit mit konkreten Visionen und Taten zu fordern und zu fördern.

Auf der anderen Seite leben die Menschen in Österreich unbestritten in einem der wohlhabendsten, sichersten und lebenswertesten Länder dieses Planeten. Wann immer man den Suderanten aller Lager die konkrete Frage stellt, in welchem Land sie denn lieber leben möchten, entsteht für einen kurzen Augenblick ratloses Schweigen. Okay, Liechtenstein, Monaco, Luxemburg, allenfalls kommt noch die Schweiz für Anhänger der direkten Demokratie und niedrigen Steuern - und dann wird es schon eng an uneingeschränkt attraktiven Alternativen für den eigenen Lebensmittelpunkt.

Natürlich hat die Politik - weder die vergangene noch die gegenwärtige - kein Recht dieser Welt, sich die Lebensleistung vieler Generationen auf ihre Fahnen zu heften. Gänzlich unbeteiligt an den Segnungen des Landes kann allerdings auch sie nicht sein (und sei es durch Unterlassungsleistungen aller Art). Damit sind nicht nur die längst zum Polit-Mythos erhobenen Siebziger Jahre gemeint, als absolute Mehrheiten, günstige Demographie und Steuereinnahmen, die nur aufs Ausgeben warteten, herrschten.

Regieren ist heute ungleich komplizierter geworden: Zu verteilen gibt es nichts mehr, stattdessen muss Bürgern und Interessensverbänden etwas von ihren vermeintlich wohlerworbenen Rechten weggenommen werden. Und genau dagegen haben alle Beteiligten gelernt, sich mit Händen und Füßen zu wehren.

Die Regierenden stehen dem einigermaßen hilflos gegenüber: In ihrer politischen DNA findet sich kein Lernprogramm für das Überwinden von Widerständen dieser Art, sind sie doch ausschließlich auf Verteilung konditioniert. Und programmiert darauf werden sie von Bürgern und Medien, die noch im kleinsten Sparbudget die ungeheuerlichsten Ungerechtigkeiten zu entdecken vermögen.