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Mythos vom Gewinn bringenden Krieg

Von Torsten Holtz, AP

Politik

Frankfurt - Die Kosten eines Kriegs gegen den Irak lassen sich nur schwer beziffern. Selbst seriöse Schätzungen schwanken enorm und veranschlagen Summen zwischen 25 und 1.500 Milliarden Euro. Den Unterschied machen verschiedene Definitionen des Begriffs "Kriegskosten". Teilweise werden nur reine Militärausgaben eingerechnet, andere berücksichtigen auch den Wiederaufbau sowie langfristige Schäden für Wohlfahrt und Weltwirtschaft.


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Eins scheint aber sicher: Entgegen einer noch hier und da vertretenen Auffassung wird der nun drohende Golfkrieg die Weltkonjunktur nicht ankurbeln. Diese Annahme sei purer "Nonsens", kommentierte Ende Jänner der US-amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Der Boom der 90er Jahre habe gezeigt, dass Frieden ökonomisch viel stimulierender als Krieg wirke. Ähnlich beurteilt der Bochumer Wirtschaftswissenschaftler Volker Nienhaus die Aussichten. "Die Belebung in einigen Branchen wie der Rüstungsindustrie wird nur marginal ausfallen und wahrscheinlich durch steigende Ölpreise und Zinseffekte aufgefressen". Die Fakten stützen seine These: Nach dem ersten Golfkrieg 1991 stiegen die US-Militärausgaben nur um 0,3 Prozent.

Die US-Regierung selbst hat die direkten Kriegskosten Ende des Jahres auf maximal 50 bis 60 Milliarden Dollar taxiert, also rund 47 bis 56 Milliarden Euro. Eine Studie der demokratischen Fraktion im US-Kongress errechnete Ende September 2002 48 bis 93 Milliarden Dollar; das Haushaltsbüro des Kongresses schätzte die Kosten auf 25 bis 40 Milliarden Dollar, wenn der Krieg nur 30 bis 60 Tage dauert.

Auf weit höhere Summen kommt hingegen William D. Nordhaus, Ökonomieprofessor an der renommierten Yale-Universität. Im schlimmsten Fall und auf zehn Jahre gesehen addieren sich die weltweiten Kosten laut Nordhaus auf gigantische 1,5 Billionen Euro, im günstigsten Fall auf "nur" gut 120 Milliarden.

Denn im Gegensatz zu den offiziellen Schätzungen berücksichtigt der US-Wissenschaftler auch ungünstige Szenarien, wie einen möglicherweise langwierigen Krieg samt Häuserkampf in Bagdad und Unruhen im Kurdengebiet. Hinzu rechnet Nordhaus die beträchtlichen Folgekosten für die Friedenssicherung und Besatzung mit mehreren Zehntausend Soldaten - Summen von wahrscheinlich 15 Milliarden Euro jährlich, die in den amtlichen Papieren unberücksichtigt bleiben.

Glaubt man den Versprechen von US-Präsident George W. Bush, wollen die USA dem Irak nach einem Krieg auch beim Aufbau der zerstörten Wirtschaft und staatlichen Institutionen helfen. Das "Nation-Building" einschließlich der Schaffung einer modernen demokratischen Gesellschaft wird nach Expertenschätzungen mindestens zehn Jahre dauern. Will man den Lebensstandard der Iraker denen der Nachbarn in Ägypten oder Iran angleichen, können die Kosten laut Nordhaus während dieser Zeit leicht auf 20 bis 25 Milliarden Euro klettern. Ein Aufbauprogramm nach dem Vorbild des Marshall-Plans in Nachkriegs-Deutschland käme wohl vier Mal so teuer.

Im Kriegsfall drohen zudem auch weltwirtschaftliche Rückschläge wie steigende Ölpreise. Militärexperten warnen davor, dass ein in die Enge getriebener Saddam Hussein Ölproduktionsanlagen in Irak sabotieren oder zerstören könnte. Auch ein gegen westliche Länder gerichtetes Öl-Embargo seitens der OPEC-Staaten scheint nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Folgen wären ein Anstieg der Inflation und möglicherweise eine weltweite Rezession.