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N wie Nachbar

Von Haimo L. Handl

Gastkommentare
Haimo L. Handl ist Politik- und Kommunikationswissenschafter.

Österreich hätte angesichts der Jahrhundertflut am Balkan die Chance ergreifen können, einen beispiellosen Akt europäischer Politik zu setzen.


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Wieder gab es Überschwemmungen. Bei uns. Bei unseren Nachbarn, in Bosnien und Serbien. Dort waren es die schlimmsten Überflutungen seit langer Zeit mit enormen Schäden. Österreich hilft, vor allem mit vielen privaten Spenden, wie früher schon. Das öffentliche Österreich half auch: Einige kleine Bundesheergruppen wurden abgestellt, eine Million Euro vom Bund, 400.000 Euro von der Stadt Wien. Österreich zeigte Flagge, und die Medien berichteten.

Alles ist relativ. Nicht nur die eigentlich geringen Geldsummen, die das offizielle Österreich lockermacht. Vor allem der mickrige Bundesheereinsatz. Österreich hat keine Kräfte, keine Geräte - oder es ist nicht interessiert, wirklich zu helfen. Das offizielle Österreich ist kurzsichtig und borniert.

Österreich hätte die Chance ergreifen können, einen beispiellosen Akt europäischer Politik zu setzen.

Auch wenn es keine Bankenrettung gewesen wäre, sondern Hilfe für Opfer. Beide Länder waren Gegner in einem europäischen Bürgerkrieg, der noch nicht lange her ist. Beide versuchen sich zu konsolidieren und "wieder zurück nach Europa" zu kommen. Beide sind arm, beide hat es sehr, sehr hart getroffen.

Man stelle sich vor, Österreich hätte nicht nur wirksamer geholfen, sondern damit zugleich nicht nur nachbarliche, sondern europäische Solidarität unter Beweis gestellt: nicht nur ein paar Euro, ein paar Bundesheersoldaten, freiwillige Feuerwehren und Hilfsgüterkonvois, sondern bestorganisiert ein Hilfseinsatz, der mehr geholfen und alle so positiv überrascht hätte, dass das schon ein Politikum geworden wäre. Mindestens 1000 oder mehr Einsatzkräfte, Hubschrauber- und Bootstaffeln, Spezialgeräte, Pumpen, Wasseraufbereitungsanlagen, Expertise. In beiden Ländern zu gleichen Teilen, ohne Wenn und Aber, sofort.

In Österreich stimmte die Mehrheit bei einer instrumentalisierten Abstimmung für die Wehrpflicht. Weniger für die effektive Verteidigung, mehr wegen Katastropheneinsätzen und des als nötig gesehenen Zivildienstes. Auch wegen möglicher Auslandseinsätze, um international Verantwortung zu übernehmen.

Und jetzt geniert sich dieses reiche Österreich nicht, nur eine Handvoll Leute zu senden und einige Euro, die in Summe weniger ausmachen, als die Privaten spenden. Eine Peinlichkeit, eine Schande. Und politische Blindheit. Gerade Österreich hätte mit einem Großeinsatz nicht nur direkt helfen können, sondern auch beweisen können, was Europa, was europäisches Denken und Handeln heißt: staatliche Hilfe und Solidarität. Für Länder, die noch vor kurzem im Krieg waren und darniederliegen, die gespannte Verhältnisse mit uns pflegen und sich verraten und verlassen fühlen. Aber Österreich hat ein Heer, das nicht einsatzbereit ist, dem Geräte und Geld fehlen. Österreich hat kein Geld für Katastrophenhilfe - auch nicht, wenn sie wirklich nötig ist, denn sonst hätte Österreich doch geholfen, oder?

Die geringe Hilfe beweist, leider, die politische Borniertheit, das Schrebergartendenken unserer Verantwortlichen, ihre spießige Ängstlichkeit. Von solchen Verantwortlichen sind keine großen Taten zu erwarten, nur kleine Gesten und Geschwätz. Das ist die peinliche, bittere Botschaft an unsere Nachbarn: "Sorry, mehr geht nicht, echt nicht." Sauft ab und kommt selber voran. Bis bald, in Europa. Servus.