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Na dann Prost!

Von Hans Polyak

Wissen

Seit zehn Monaten ist Michael Musalek ärztlicher Direktor des Kalksburger "Anton Proksch"-Instituts, der größten Suchtgiftklinik Europas. Er trat im April des Vorjahres die Nachfolge von Rudolf Mader an. Gemeinsam mit 240 Mitarbeitern betreut Musalek in seinem Institut 240 Alkoholkranke und Medikamentenabhängige sowie 60 Hartdrogensüchtige.


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Der Suchtgiftspezialist kann ein Lied vom Alkoholmissbrauch in Österreich singen. "330.000 Personen sind alkoholabhängig, weitere 900.000 zählen zu den Alkoholgefährdeten", weiß Musalek. Alarmierend ist vor allem der permanente Anstieg des Alkoholmissbrauchs unter Jugendlichen. Bereits 16 Prozent der 13- jährigen Burschen haben regelmäßig das zweifelhafte Vergnügen eines Alkoholrausches. Bei den gleichaltrigen Mädels sind es "nur" neun Prozent. Eine spezielle Unsitte macht derzeit bei den Youngsters "die Runde": das "Binge Drinking", das "Trinken bis zum Umfallen". Die Folgen bleiben nicht aus. So ist zuletzt die Zahl der Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen sprunghaft angestiegen.

Mit gezielten Therapieformen sagt man derzeit im "Anton Proksch"-Institut - bei jung und alt - der Alkoholsucht den Kampf an. "Wir haben heute moderne Behandlungsmethoden zur Verfügung. Mit Hilfe eines individuell abgestimmten Diagnosesystems werden jene Faktoren, die zur Sucht führen, und die aber vor allem die Sucht aufrecht erhalten, erfasst. Die Behandlung erfolgt dann sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich", erläutert Musalek, der aber auch ein großes Problem ortet. "Leider kommt ein Großteil der Patienten sehr spät zu uns, weil die Alkoholkrankheit noch immer sehr stigmatisierend ist. Der Betroffene will seine Krankheit partout nicht zugeben und lässt sie sehr lange anstehen. Die Prognose fällt jedoch umso schlechter aus, je später man mit der Behandlung beginnt."

Daher sollte ein Problembewusstsein geschaffen werden, damit Alkoholkranke schon frühzeitig ihre Sucht erkennen. Steht die Akzeptanz der Alkoholkrankheit schon bei den Betroffenen auf schwachen Beinen, wie sieht sie dann erst im Umfeld des Alkoholikers - bei seinen Mitmenschen - aus? Musalek dazu: "Obwohl sich die Situation im Verlauf der letzten 20 Jahre etwas gebessert hat, ist das ist noch immer ein Problem. Die Alkoholkrankheit wird zumindest soweit akzeptiert, dass die Krankenkassen die notwendigen Behandlungen bezahlen." Dies sei bekanntlich in Österreich nicht immer der Fall gewesen. Leider stehe aber bei der Bevölkerung die Selbstverschuldensfrage noch immer im Vordergrund. "Ich kenne aber keinen Patienten, der sich ausgesucht hat, alkoholkrank zu werden", betont der Arzt.

Wie sehen nun die Chancen von Alkoholkranken aus, "trocken" zu werden und auch zu bleiben? "Das hängt sehr davon ab, ob der Betroffene seine Krankheit überhaupt eingesteht, und ob er eine regelmäßige Behandlung mitmacht. Trifft das zu, besteht sogar eine 80-prozentige Chance zur Abstinenz", meint Musalek.

Zwei von diesen Patienten, die es zumindest bis jetzt geschafft haben, sind Herbert Schaumberger und Herbert Beinstein. Letzterer hatte sich vor einigen Monaten zu einer Therapie in Kalksburg entschlossen. Die "Wiener Zeitung" traf Beinstein, der auf jahrzehntelangen reichhaltigen Alkoholkonsum zurück blickt, bei einem Würstelstand am Wiener Naschmarkt. Statt des üblichen Biers gab es zur "Heißen" eine Limonade.

"Auch wenn andere Personen Alkohol trinken, habe ich damit kein Problem. Selbst draußen nicht", bekräftigt Beinstein. Der 41- Jährige hat seinen Sylvestervorsatz "Nie mehr Alkohol!" bisher strikt eingehalten. Was ihn so stark gemacht hat? Die Frage beantwortet er mit einem Blick auf seine weibliche Begleitung: "Meine neue Familie. Die gibt mir immense Kraft!"

Bereits ein Jahrzehnt "trocken" ist Herbert Schaumberger. "Vor zehn Jahren bin ich in die Klinik gekommen und sehr gut betreut worden. Seither komme ich ohne Alkohol aus, worauf ich sehr stolz bin. Ich will auf jeden Fall weiter abstinent bleiben. Denn ein Alkoholkranker, der einmal körperlich abhängig war, ist nie geheilt."