Baustart 2009 wird konkreter. | Keine Konkurrenz durch Russland. | Wien. Das zuletzt von manchen Medien als eher todgeweiht angesehene Gas-Pipeline-Projekt Nabucco tritt stattdessen in die heiße Phase: Während mit dem französischen Gasriesen Gaz de France offensichtlich der siebente Partner vor der Tür steht, werden in Wien diese Woche zwei wichtige Schritte vorwärts in Richtung Baustart 2009 gesetzt: Dienstagabend wird von den Energieministern der Türkei, Bulgariens, Rumäniens, Ungarns und Österreichs feierlich der Beitritt des sechsten Projektpartners, des Essener Energieriesen RWE, besiegelt. Morgen, Mittwoch, soll auch das österreichische Parlament die rechtlichen Rahmenbedingungen für das unter Federführung der heimischen OMV stehende Projekt beschließen.
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Ebenfalls noch diese Woche sollen die in Brüssel bereits eingereichten koordinierten Projektpläne offiziell von der EU gebilligt werden. Die EU-Kommission hatte im Vorjahr einen eigenen Koordinator für das als prioritär eingestufte Projekt eingesetzt, der Niederländer Joazis van Aartsen wird heute Abend im Marmorsaal des Wirtschaftsministeriums dabei sein.
Projektchef Reinhard Miltschek, zuvor Leiter des Transit- und Speichergeschäfts der OMV Erdgas und nun Geschäftsführer der Nabucco Gaspipeline International GmbH in Wien, geht davon aus, dass dem Baustart im Jahr 2009 dann nichts mehr im Wege steht.
Basescu: Gaz de France ist mit dabei
Neben der RWE stehen laut Miltschek auch noch weitere Interessenten - große europäische Unternehmen - ante portas. Mit einem möglichen siebenten Partner gebe es bereits "konkrete Gespräche". Dass es sich dabei um die staatliche französische Gaz de France handelt, wie Rumäniens Ministerpräsident Traian Basescu anlässlich eines Besuchs von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Montag in Bukarest verlauten ließ, könne man in Wien noch nicht offiziell bestätigen, erklärte ein Nabucco-Sprecher der "Wiener Zeitung". Die bisherigen Partner (OMV, MOL, Transgaz, Bulgargaz und Botas) hätten sich aber bereits darauf geeinigt, sich auch einem siebenten Konsortiumsmitglied nicht zu verschließen, wenn es ein vernünftiges Konzept gebe, hieß es.
Die geplanten Kosten für die 3300 Kilometer lange Leitung werden 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro betragen. Rund 30 bis 40 Prozent davon würden von den Aktionären entsprechend ihrer Anteile über Eigenkapital aufgebracht. Der verbleibende Finanzierungsbedarf werde von Banken gedeckt - darunter die Europäische Investmentbank (EIB) und die Weltbank. Ab 2012 sollte die Leitung dann das erste Gas aus Zentralasien und dem Kaspischen Raum nach Europa liefern.
Ein Strang der Nabucco werde im Vollausbau 31 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren. Miltschek kann sich aber gut vorstellen, dass bis 2030 ein zweiter Strang gebaut wird und dann schon 60 Milliarden Kubikmeter aus Zentralasien kommen. Turkmenistan etwa will bis 2020 seine Produktion von derzeit 75 auf etwa 170 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigern.
Dass das zuletzt von Russland forcierte und durch Verträge mit Bulgarien und Serbien konkretisierte Projekt einer eigenen Pipeline durchs Schwarze Meer Nabucco noch zu Fall bringen könnte, glauben Experten inzwischen nicht mehr. Nabucco seit kein antirussisches Projekt, "South Stream" umgekehrt keine Konkurrenz für Nabucco, betonte auch Miltschek in einem Interview mit der "Presse". Europa brauche Nabucco auch zur Diversifizierung der Routen, nicht nur der Anbieter - Nabucco werde durchaus auch russisches Gas transportieren.
Bleibt die heikle Frage, ob auch iranisches Gas durch die Leitung fließen wird: Man werde 2012 zum Beginn der Lieferungen noch nicht mit der vollen Kapazität fahren, sondern mit rund zehn Milliarden Kubikmetern pro Jahr. "Daher wird man vorerst mit Gas aus Aserbaidschan, Russland und Turkmenistan auskommen", sagte der Projekt-Chef. Langfristig werde Europa aber am Gas des Iran nicht vorbeikommen, das hatte auch EU-Energiekommissar Andres Piebalgs im Vorjahr erklärt.
Iran gibt neuen großen Gasfund bekannt
Vor der Küste des Iran ist unterdessen ein neues Gasvorkommen entdeckt worden. Wie Ölminister Gholam Hossein Nozari in Teheran bekanntgab, werden unter dem Persischen Golf 311 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet.
Die OMV verhandelt nach wie vor mit Teheran ein Explorationsprojekt im dortigen weltgrößten Gasfeld "South Pars". Der Iran verfügt nach Russland über die zweitgrößten Gasvorkommen der Welt und strebt den Export nach Armenien, Pakistan, Syrien und auch Europa an.