Colombo · Sri Lanka sucht bei den bevorstehenden Wahlen nach einem Friedens-Präsidenten, der den seit 16 Jahren tobenden Bürgerkrieg zwischen der Armee und den Tamilen-Rebellen beendet. | Amtsinhaberin Chandrika Kumaratunga hat das in den vergangenen fünf Jahren nicht geschafft, weder mit Verhandlungen noch mit militärischen Offensiven. Beobachter werten das als ihr größtes Manko im | Rennen gegen Oppositionsführer Ranil Wickramasinghe.
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Bei der Präsidentenwahl am 21. Dezember treten 13 Bewerber an, Chancen haben aber nur die beiden Spitzenkandidaten der größten Parteien. Die 54-jährige Kumaratunga und ihre Volksallianz (PA)
wollen den Erfolg von 1994 wiederholen. Damals errang die politisch unerfahrene Tochter des 1959 ermordeten Regierungschefs Solomon Bandaranaike 63 Prozent. Das wird dem 45-jährigen
Wickramasinghe von der Nationalpartei (UNP) nun wohl verhindern, aber ob es für ihn zum Sieg reicht, ist offen.
Das überragende Thema ist wieder der Krieg, der im Norden und Osten des Inselstaates tobt. Seit 1983 kämpft Velupillai Prabhakaran, der fanatische Führer der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE),
für einen eigenen Staat der tamilischen Minderheit in Sri Lanka. Er will Kumaratunga loswerden und erlaubte der UNP, in den von ihm kontrollierten Gebieten für Wickramasinghe zu werben.
Kommentatoren meinen, dass die tamilischen Wähler zum Zünglein an der Waage werden.
Kumaratunga bietet keine neuen Ideen an, sondern hält an ihrem Modell fest, das sie seit fünf Jahren verfolgt. Sie will die Verfassung ändern und der tamilischen Minderheit gegenüber der
singhalesischen Mehrheit mehr Autonomie zugestehen. Dieses Gesetzespaket sitzt aber im Parlament fest, weil Kumaratunga dort die Mehrheit für eine Verfassungsänderung fehlt.
Wickramasinghe setzt dagegen auf sofortige Schritte, um den Krieg zu beenden. Die Regierung beschuldigt ihn deshalb sogar einer Verschwörung mit der LTTE. Deren Führer Prabhakaran brachte dem
Militär in mehreren Offensiven während der vergangenen Wochen schwere Niederlagen bei, offensichtlich um Kumaratunga zu schwächen. "Wir trauen ihr nicht. Sie hat nicht die Aufrichtigkeit, um den
Konflikt fair zu lösen", behauptet Prabhakaran.
Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Ein Abkommen, das Kumaratunga nach ihrem Amtsantritt 1994 mit der LTTE aushandelte, wurde von Prabhakaran gebrochen. "Wir werden der LTTE niemals nachgeben",
beteuert die Präsidentin heute. Noch mehr Krieg aber will kaum jemand in Sri Lanka, nachdem schon fast 60.000 Menschen umgekommen sind.
Vor fünf Jahren hatte Kumaratunga noch 70 Prozent der Stimmen der tamilischen Minderheit bekommen. Diesmal wird ihr das wahrscheinlich nicht gelingen. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Wickramasinghe
könnte sie das den Sieg kosten. Und auch die Wirtschaft setzt auf Wickramasinghe, weil sie auf Frieden und auf einen Aufschwung hofft.