Briten-Premier David Cameron und seine 27 EU-Partner haben sich auf neue Sonderrechte für Grossbritannien geeinigt. Jetzt will sich Cameron beim kommenden EU-Referendum für den Verbleib seines Landes in der Union stark machen - aber Britanniens EU-Gegner formieren sich.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der britische Premierminister David Cameron will dieses Wochenende in London seine EU-Referendums-Kampagne in Gang setzen, nachdem er sich am späten Freitagabend mit seinen EU-Partnern in Brüssel auf ein "Reformpaket" für Grossbritannien geeinigt hat. Die "Reformen" hatte der Brite zur Vorbedingung für sein Ja zum britischen Verbleib in der EU gemacht. Das Referendum wird nun für den 23.Juni erwartet. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus.
Die Vereinbarung in Brüssel war erst nach 30-stündigen und mühsamen Verhandlungen zustande gekommen. Sie bescheinigt den Briten, dass sie nicht ans Ziel einer "immer engeren Union" der Völker Europas gebunden sind, und dass ihnen als EU-Staat mit eigener Währung keine Benachteiligung zuteil werden darf.
In der zentralen Streitfrage der Behandlung von EU-Migranten soll London künftig das Recht erhalten, mit Hilfe einer "Notbremse" Zuwanderern aus anderen EU-Staaten gewisse Sozialhilfe-Leistungen für die ersten Jahre ihres Aufenthalts in Grossbritannien abzusprechen oder diese einzuschränken.
Kindergeld-Zahlungen für Kinder, die in ihren Heimatländern verbleiben, sollen aufs landesübliche Mass reduziert werden können. Von dieser Möglichkeit soll, per Antrag bei der EU, für jeweils sieben Jahre Gebrauch gemacht werden können. Cameron hatte eine "Bremsdauer" von 13 Jahren gefordert.
Premierminister Cameron will nun seinem Kabinett ein "Ja" zur EU beim kommenden Referendum empfehlen. Britische EU-Gegner erklärten dagegen, der Premier habe keineswegs für echte nationale Selbstbestimmung und für "Kontrolle der eigenen Grenzen" gesorgt.
Kritik gab es auch daran, dass die von Cameron erwirkten "Reformen" nicht unmittelbar in EU-Verträge eingearbeitet werden können, und dass das EU-Parlament den Deal erst noch - lang nach dem Referendumsdatum - absegnen muss.
Am Samstag will Cameron in London seine Minister über das Verhandlungsergebnis im einzelnen informieren. EU-Gegnern der Regierungsriege hat er freie Aussprache während der Kampagne zugesichert. Es wird erwartet, dass sich mindestens sechs Kabinettsmitglieder und 15 andere Regierungsangehörige für den EU-Austritt engagieren.
Für Überraschung sorgte am Freitag bereits Justizminister Michael Gove, ein Vertrauter Camerons, der sich dem Austritts-Lager anschliessen will. Am selben Abend fand im Londoner Elizabeth-II-Konferenzzentrum die erste Anti-EU-Kundgebung - und mit über 1.500 Teilnehmern die bisher grösste der britischen Geschichte - statt.
Die Brüsseler Verhandlungen hatten sich von Donnerstag bis in die Nacht auf Samstag hingezogen. Mehrere osteuropäischen Staaten wehrten sich zäh gegen die Sozialleistungs-Verminderung.
Paris bestand darauf, dass London kein Veto über "die Geschäfte der Eurozone" bekomme. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras drohte zeitweise sogar damit, den ganzen Deal platzen zu lassen, falls Cameron und die anderen EU-Regierungen Griechenland nicht bei der Bewältigung der Migrantenkrise unterstützten.