Neuer Premierminister dürfte der wallonische Sozialist Di Rupo werden.
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Brüssel. Genau 490 Tage sind am Sonntag seit der letzten Wahl in Belgien vergangen. Nach dieser Weltrekordzeit steuert der wallonische Sozialist Elio Di Rupo tatsächlich auf eine neue Regierungskoalition unter seiner Leitung zu. Nach monatelangen Detailverhandlungen ist es ihm letzte Woche gelungen, acht Parteien auf eine Staatsreform für das Land einzuschwören, das entlang der Sprachengrenze politisch geteilt ist. Die Regionen sollen deutlich mehr Kompetenzen erhalten, der einzige gemischtsprachige Wahl- und Gerichtsbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV) wird aufgespalten. Das ist bemerkenswert, weil die letzte Staatsreform in Belgien vor rund 40 Jahren stattgefunden hat. Zuletzt waren innerhalb weniger Jahre drei Regierungen daran gescheitert.
Doch der Druck auf die Spitzenpolitiker aus Flandern und der Wallonie war zuletzt gestiegen: Die mächtigen Ratingagenturen haben das knapp elf Millionen Einwohner umfassende Land immer stärker im Visier. Denn wegen der Wirtschaftskrise nähert sich die belgische Staatsverschuldung wieder der Schwelle von 100 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Die milliardenschwere Privatisierung der taumelnden Dexia-Bank stellt Belgien wie die jüngste Schließung des Arcelor-Mittal-Stahlwerks in Lüttich in ein ungünstiges Schlaglicht. Der seit fast eineinhalb Jahren geschäftsführende Premierminister Yves Leterme von den flämischen Christdemokraten nimmt spätestens zu Jahresende den Hut, geht zur OECD nach Paris.
Alle diese Faktoren haben wohl dazu beigetragen, die Sozialisten, Christdemokraten, Liberalen und Grünen - jeweils durch eine Partei aus jedem Landesteil vertreten - zu einem Kompromiss zu bewegen. Die bisher 35 Umlandgemeinden der Hauptstadt Brüssel, in denen bisher flämische und wallonische Parteien gewählt werden konnten, fallen zu Flandern. In sechs davon besteht aber weiterhin das frankophone Wahl- und Gerichtsprivileg. Die Regionen erhalten mehr Zuständigkeiten im Steuer- und Sozialbereich und dürfen künftig die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf ihren Straßen selbst festlegen sowie die Strafen für Übertretungen einstreifen. Ein neues Finanzierungsgesetz soll die milliardenschweren Transferleistungen aus dem Norden in den Süden etwas abmildern.
Heikle Aufgabe Sparbudget
Nicht mehr am Verhandlungstisch für die Regierungsbildung sitzen die Grünen, weil sie den flämischen Liberalen und Christdemokraten dafür zu links sind. Wahrscheinlich ist daher eine in Belgien klassische Föderalregierung mit sechs Parteien aus drei politischen Familien. Sie müssen jetzt noch ein massives Sparbudget beschließen: Rund 24 Milliarden Euro sind über die kommenden drei Jahre einzusparen.
Wenig Chancen auf Bestand gibt der geplanten neuen Regierung der flämische Wahlsieger vom Juni 2010, Bart De Wever von der separatistischen Neuen Flämischen Allianz (N-VA). Die ist als sitzstärkste Partei in Opposition, in Flandern haben die drei flämischen Regierungsparteien ohne Grüne, N-VA und den rechtsextremen Vlaams Belang keine Mehrheit. In Umfragen haben die Separatisten ihren Vorsprung gegenüber den Wahlen noch deutlich ausgebaut.