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Nach Blair-Abgang setzt Bush ganz auf Sarkozy

Von Peter Wütherich

Europaarchiv

Gordon Brown könnte zu Washington Distanz halten. | Washington. (afp) Vielleicht findet Tony Blair nun als Privatmann eine Gelegenheit, die hohe Auszeichnung entgegenzunehmen. Bereits vor vier Jahren wurde dem britischen Premierminister in Washington für seine "treue und standhafte Freundschaft" die höchste zivile Auszeichnung des US-Kongresses zuerkannt: die Kongressmedaille in Gold. Abgeholt hat Blair die Ehrung nie. Zu schwer lastete daheim der Verdacht auf ihm, den USA in blinder Gefolgschaft ergeben zu sein. Mit Blairs Rücktritt verliert Präsident George W. Bush seinen wichtigsten Alliierten in Europa. Umso mehr umwirbt er den neuen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, in dem er einen Verbündeten sieht.


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An Blair kann der künftige Premierminister Gordon Brown ablesen, wie sehr die Wertschätzung des unpopulären US-Präsidenten zum politischen Ballast werden kann. "Brown kennt die Umfragen und weiß genau, wie sehr es Blair schadete, als Bushs Pudel angesehen zu werden", sagt der Experte Daniel Benjamin vom Brookings-Institut in Washington. Die böse Karikatur von Blair als Pudel auf dem Schoß des mächtigen US-Präsidenten wurde zum Symbol seines Entschlusses, den USA trotz der Ablehnung der Briten in den Irak-Krieg zu folgen. Blair zahlte dafür mit seiner Beliebtheit. Brown dürfte sich deshalb um Distanz zu Bush bemühen.

"Ich werde ihn vermissen", sagte Bush zu Blairs Rücktrittsankündigung. Mit Brown wolle er an das besondere Verhältnis anknüpfen. Nichts Derartiges ließ Bush zum Abgang von Frankreichs Präsident Jacques Chirac verlauten. Gerade einmal drei Minuten waren die französischen Wahllokale geschlossen, als Bush dem Sieger Nicolas Sarkozy am Sonntagabend telefonisch gratulierte.

Willkommener

Gezeitenwechsel

Die Eile selbst enthielt eine Botschaft: Der US-Präsident sieht die Chance gekommen, das lange Zeit kühle Verhältnis zu Paris zu neuem Leben zu erwecken. Sarkozy sei ein "sehr einnehmender, energischer, kluger und fähiger Mann", lobte Bush am Donnerstag.

"Von De Gaulle bis Chirac war Anti-Amerikanismus ein bestimmendes Moment der französischen Außenpolitik", urteilt die Expertin Helle Dale vom konservativen Heritage-Institut in Washington. "Sarkozys Haltung unterscheidet sich immens von der traditionellen französischen Politik-Elite." Tatsächlich macht Sarkozy aus seiner Bewunderung für die USA, deren Reformbereitschaft er als Vorbild sieht, keinen Hehl. "Frankreich wird immer an der Seite Amerikas stehen, wenn es gebraucht wird", sagte Sarkozy in der Nacht seines Wahl-Triumphs.

Zwar lehnt auch der künftige französische Präsident den Irak-Krieg ab, und er fordert von Bush ein Bekenntnis zum Klimaschutz. Doch dürfte seine Politik eine breitere Grundlage für die Beziehungen zwischen den USA und Europa ermöglichen. Dale sieht "einen willkommenen Gezeitenwechsel in den transatlantischen Beziehungen", seit Angela Merkel (CDU) 2006 Bundeskanzlerin wurde. Merkel löste den Bush-Kritiker Gerhard Schröder (SPD) ab, nun geht auch Schröders enger Verbündeter Chirac. Das Projekt der beiden, ein Dreierbündnis mit Russland als Gegengewicht zur Vormachtstellung der USA zu errichten, dürfte damit erledigt sein.