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Nach Datenpanne Streit über AvW-Sammelklagen

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Obergericht lässt AvW-Sammelklagen zu, Erstgericht bastelt eigene Klagenpools.


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Wiener Neustadt. Im Hintergrund der Datenaffäre um die Veröffentlichung der Namen Hunderter geschädigter AvW-Anleger im Internet durch das Landesgericht Wiener Neustadt schwelt ein Streit über die AvW-Sammelklagen selbst. Denn das Landesgericht hatte Sammelklagen der AvW-Geschädigten gegen den früheren AvW-Wirtschaftsprüfer Moore Stephens Ehrenböck abgewiesen. Das betraf u.a. 34 Sammelklagen von 950 Geschädigten mit einem Streitwert von rund 29 Millionen Euro, die die Anwälte Michael Bauer und Erich Holzinger eingebracht haben.

Laut Aktenlage wurde die Klagsabweisung damit begründet, dass "die Anleger keine formellen Streitgenossen seien, weil kein für alle im Wesentlichen gleicher Sachverhalt vorliege". Im Zuge der Abweisung haben andere Anlegeranwälte, wie Gerd Mössler, Einzelklagen eingebracht, wie vom Gericht gewünscht wurde. 1200 einzelne Schadenersatzklagen bestätigt Anwalt Mössler der "Wiener Zeitung".

Indes hat aber das Oberlandesgericht (OLG) Wien die Abweisung der Sammelklagen aufgehoben. Laut OLG sind die Anleger doch "formelle Streitgenossen", weil sie ihre Schadenersatzforderung damit begründen, dass der Wirtschaftsprüfer den Jahresabschlüssen der AvW-Gesellschaften mutmaßlich sorgfaltswidrig Bestätigungsvermerke erteilt hat.

Dass die Anleger zu verschiedenen Zeitpunkten AvW-Genussscheine gekauft haben, spielt laut OLG ebenso wenig eine Rolle wie die unterschiedlichen Kausalabläufe bei den Klägern. Somit kam der Ball wieder zum Landesgericht Wiener Neustadt. Dort begann man die Sammelklagen zu "zerlegen" und die Kläger aus den Sammelklagen und den Einzelklagen in neue "Sammelklagen-Pools" zu bündeln.

Dazu wurde nicht nur die Datenbank "MSE Aktenverwaltung" angelegt, sondern es mussten auch unzählige Gerichtsbeschlüsse verfasst werden - die irrtümlich im Internet landeten.

Scharfe Kritik von Anwälten

Die Anlegeranwälte kritisieren die neue Konstruktion des Landesgerichts Wiener Neustadt als nicht prozessökonomisch, unverständlich und unpraktikabel.

"Die Sammelklagen waren notwendig, da den Mandanten ansonsten Verjährungsfolgen drohten", argumentieren die Anwälte Bauer und Holzinger. "Wir erklärten uns bereit, dass die Verfahren unterbrochen werden und einzelne wenige Musterprozesse geführt werden." Eine Kanalisierung sei auch für das Gericht verfahrensökonomisch und für die Kläger mit weniger Kosten verbunden.

"Es für uns beim besten Willen nicht nachvollziehbar, warum man die Sammelklagen ,zerreißt und Einsprüche einzelner Kläger mit von anderen Anwälten geltend gemachten Ansprüchen verbindet." Anwalt Bauer musste 72 Zusammenlegungsbeschlüsse von acht Richtern nach seinen Klienten durchsuchen, um 22 Anträge und Rechtsmittel gegen diese Gerichtsbeschlüsse auszuarbeiten.

Ich finde das eine Ungeheuerlichkeit, zumal da kreuz und quer getrennt und zusammengelegt wurde", sagt Anwalt Harald Christandl. "Für uns sind diese Beschlüsse, die eine Vielzahl von Namen und Geschäftszahlen aufweisen, schwer zuzuordnen, und wir werden dagegen Rechtsmittel einlegen."

Andere Sicht der Dinge

Das Gericht sieht die Sachlage anders, es wurden zwei Klägergruppen gebildet. "Eine Gruppe umfasst 700 Klagen, in diesem Fall ist die Frage, ob die Ansprüche verjährt sind, zu prüfen", sagt Richter Hans Barwitzius zur "Wiener Zeitung". "Bei der anderen Gruppe mit 1300 Klagen spielt das keine Rolle. Das Auseinanderreißen und die Bildung von zwei Gruppen ist aus reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen gemacht worden." Der Grund für die Bündelung in zwei Klägergruppen sei, dass die Frage der Verjährung "die anderen Verfahren aufhalten würde".

"Das ist wirtschaftlich und prozessökonomisch nicht sinnvoll", sagt auch Anwalt Wolfgang Haslinger. "Eine Rechtsfrage ist die Verjährung, die zu prüfen ist. Wobei hier aber nicht die Frage der Verjährung nach dem Unternehmensgesetzbuch, wie vorgebracht wurde, sondern die allgemeine Verjährung von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens anzuwenden ist." Laut Anwalt Holzinger liegt nach dieser Gesetzeslage aber keine Verjährung vor.