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Nach dem Notarzt kommt gleich der Organexperte

Von Luis Torres de la Llosa

Wissen

Organentnahme am Unfallort: Unbehagen über neues Projekt. | New York. (afp) Notfalleinsatz am Unfallort in New York: Ein Krankenwagen eilt heran, Rettungskräfte kommen dem Opfer zur Hilfe. Doch das ist nicht alles: Dahinter wartet eine zweite Ambulanz mit einem Spezialteam. Ihre Arbeit beginnt, falls für das Opfer das Leben endet. Sie sollen den frischen Leichnam zur Organentnahme vorbereiten.


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Die Entsendung von Doppel-Ambulanzen ist ein Modellprojekt in New York, das viele Gegner auf den Plan ruft. Die Vorstellung, dass Menschen im Fall des unerwarteten Ablebens sogleich zur Organentnahme konserviert werden, sorgt für Unbehagen. Für Kranke, die auf einen Organspender warten, bedeutet das Projekt neue Hoffnung.

Das New Yorker Projekt wurde mit finanzieller Unterstützung des US-Gesundheitsministeriums aus der Not geboren: Im Durchschnitt sterben in den USA jeden Tag 18 Menschen, deren Leben durch ein Spenderorgan hätte verlängert werden können. Die Initiative Donate Life America, die für die Bereitschaft zu Organspenden wirbt, hat in einer Umfrage ermittelt, dass 90 Prozent der US-Bürger bereit wären, im Todesfall ein Organ zu spenden. Aber nur 30 Prozent haben die erforderlichen Vorkehrungen für den Fall X getroffen.

Für Transplantationsmediziner zählt nach dem Tod eines Menschen jede Minute. Das Team an Bord der New Yorker Spezialambulanz injiziert den verstorbenen Opfern Lösungen, die zum Erhalt der Organe nötig sind. Die sterbliche Überreste werden sofort ins Krankenhaus gebracht und dort für eine Transplantation vorbereitet. Unterdessen bemüht sich das Personal um die Einwilligung der Hinterbliebenen, ohne die eine Entnahme nicht erfolgen darf. Wird die Einwilligung erteilt, kann die Transplantation sofort beginnen.

Kritiker finden das Projekt geschmacklos. "Das ist eine schlechte, kontraproduktive Idee", sagt Michael Grodin, Professor für Bioethik am Albert-Einstein-College in New York. "Manche Menschen werden das so empfinden, als kreuze eine Ambulanz auf der Suche nach ihren Organen durch die Stadt." Grodin verweist auch darauf, wie schwierig es sei, bereits am Unfallort festzustellen, ob jemand tatsächlich gestorben ist. "Jemanden draußen im Freien für tot zu erklären, ist eine heikle Entscheidung, es sei denn die Leiche ist enthauptet oder verwest."