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Nach dem Studium ab in die Heimat

Von Brigitte Pechar

Politik

Statistik Austria: 85 Prozent der deutschen Jungmediziner verlassen Österreich nach dem Studium wieder.


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Wien. Viele Studenten kommen aus Deutschland und anderen europäischen Staaten nach Österreich, um zu studieren. Der Mehrwert eines Studienabschlusses bleibt aber nicht in Österreich. Der Großteil deutscher Medizinstudenten in Österreich verlässt das Land innerhalb von drei Jahren nach dem Abschluss. Die Statistik Austria hat im Bericht "Bildung in Zahlen 2015/16" der Mobilität nach dem Studium in Österreich besondere Aufmerksamkeit geschenkt und die Medizin-Absolventen betrachtet. 84 Prozent der Deutschen, die in Österreich Medizin studiert haben, haben in den ersten drei Jahren nach dem Abschluss das Land wieder verlassen. Auch in anderen Studien gibt es hohe Wegzugsraten - und das nicht nur unter den Deutschen. Österreicher zieht es in den ersten drei Jahren nach dem Abschluss indes nur selten ins Ausland.

Pensionierungswelle führt zu Ärztemangel

In Österreich sind derzeit rund 4000 Allgemeinmediziner tätig, bis zum Jahr 2025 werden rund 60 Prozent von ihnen 65 Jahre alt sein und in Pension gehen. Die Ärztekammer wart seit Jahren vor einem drohenden Ärztemangel, auch das Gesundheitsministerium ist sich dessen bewusst. Die geplante Schaffung von Primärversorgungszentren soll Abhilfe schaffen. Aber es besteht natürlich auch ein Interesse der Politik, möglichst viele ausgebildete Mediziner im Land zu halten.

Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer hält den hohen Abgang ausländischer Medizin-Absolventen für ein europäisches Thema. Hier stelle sich die Frage, ob die Politik als Reaktion etwa für eine finanzielle Beteiligung anderer Länder an der Hochschulfinanzierung oder für Zugangsbeschränkungen eintreten will.

Quoten-Entscheidung der EU kommt Ende Mai

Österreich ist ja gerade dabei, die Quote für Medizinstudenten, die mit der EU ausverhandelt wurde, zu verlängern. Seit 2006 gilt: 75 Prozent der insgesamt 1656 Medizinstudienanfängerplätze in Österreich sind für Studierende mit einem österreichischen Maturazeugnis bestimmt, 20 Prozent für Studierende aus der EU und 5 Prozent für Studierende aus Drittstaaten. Vorher durfte in Österreich nur studieren, wer auch in seinem Heimatland einen Studienplatz nachweisen konnte. Das hat die EU-Kommission aber gekippt, infolgedessen hat man sich auf eine Quote geeinigt.

Eine Entscheidung über die Quotenverlängerung wird Ende des Monats erwartet. Grundsätzlich sei die Mobilität der Studierenden im europäischen Hochschulraum positiv, erklärte Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner dazu zur "Wiener Zeitung". Die Zahlen würden auch die hohe Qualität des Ausbildungsstandortes Österreich unterstreichen.

Bildung ist allerdings ein staatliches Thema. Die EU hat dafür keine Regelungskompetenz. Verhandlungen über Ausgleichszahlungen auf EU-Ebene seien aufgrund deren Nichtzuständigkeit für die Bildungspolitik nicht möglich, bestätigte Mitterlehner. Weshalb "die Beibehaltung der Quote und Maßnahmen seitens der künftigen Arbeitgeber, um die Attraktivität des Standortes für Jungärzte weiter zu verbessern", das Ziel seien.

"Dass es eine solche Mobilität gibt, ist zunächst einmal erfreulich", sagte auch der Präsident der Universitätenkonferenz (uniko) und Rektor der Universität Klagenfurt, Oliver Vitouch. Er sieht - bei sprachraumbedingten Schieflagen - nur drei mögliche Lösungen: bilateral, durch Abkommen mit den Herkunftsländern der Studierenden; Lösungen ähnlich der deutschen Maut - also Uni-Gebühren, die den österreichischen Studierenden über Ausgleichszahlungen refundiert werden, oder eben die Quotenregelung. Da Bildung von Nationalstaaten finanziert werde, hätten EU-Lösungen immer das Potenzial für Verwerfungen, sagte Vitouch.

Doktoren sind mobiler als Bachelos

Der Wissenschaftsminister verwies allerdings auf eine Reihe von Reformen, die für Medizinstudenten und Jungärzte schon gesetzt worden seien. Er verwies etwa auf die Reform des Medizinstudiums, auf die Erhöhung der Studienqualität durch Aufnahmeverfahren, auf die Gründung der Medizinischen Fakultät in Linz, auf die Anhebung der Gehälter der Spitalsärzte auf ein vergleichbares Niveau in Deutschland. Es brauche aber Maßnahmen nach dem Studium, sagte Mitterlehner. Für die beruflichen Rahmenbedingungen der Jungärzte sei aber das Wissenschaftsministerium nicht zuständig.

Die hohen Wegzugraten sind allerdings kein Spezifikum des Medizinstudiums: 68 Prozent der Deutschen gingen in den ersten drei Jahren nach dem Bachelorabschluss (alle Studien) aus Österreich fort, unter den restlichen EU-Bürgern waren es 54 Prozent, unter den Drittstaatsangehörigen 31 Prozent. Am höchsten ist der Anteil derer, die nach dem Abschluss wegziehen, unter den Doktoranden: 56 Prozent der Deutschen, 48 Prozent der restlichen EU-Bürger und 72 Prozent der Drittstaatsangehörigen verlassen das Land.

Österreicher wandern hingegen nur zu einem geringen Teil ab: Unter allen heimischen Bachelor-Absolventen gingen gerade einmal knapp drei Prozent ins Ausland, unter den Doktoranden waren es acht Prozent. Die meisten österreichischen Absolventen, die ins Ausland wechselten, gab es in den Feldern Gesundheits- und Sozialwesen (7 Prozent) sowie Künste und Geisteswissenschaften (rund 5 Prozent).

Leichter Anstieg beim Bildungsniveau

Grundsätzlich, sagte Pesendorfer bei der Präsentation des Berichts "Bildung in Zahlen" am Mittwoch, sei ein leichter Anstieg im Bildungsniveau feststellbar. Aber Noch immer hat die Bildung der Eltern großen Einfluss darauf, ob ihr Kind die Matura oder einen Hochschulabschluss erreicht. "Die Bildungsvererbung ändert sich nur langsam", so Pesendorfer.

Der Anteil der 25- bis 34-Jährigen, die maximal die Pflichtschule abschließen, sei seit den 1980ern von damals 40 auf heute unter 20 Prozent gesunken - eine wichtige Verbesserung, immerhin sei die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, in dieser Gruppe besonders groß.

Allerdings sei es noch immer "schwer, den Bildungsstatus der Eltern zu überwinden": So haben unter den 18- bis 20-jährigen Maturanten des Jahrgangs 2014/15 rund 31 Prozent zumindest einen Elternteil mit akademischem Titel, aber nur knapp vier Prozent Eltern mit Pflichtschulabschluss. Das unterscheidet sich deutlich von der Verteilung unter allen 18- bis 20-Jährigen (13 Prozent der Eltern mit Pflichtschul-, 17 Prozent mit Hochschulabschluss). Bei den Burschen sei der Weg zur Matura noch einmal stärker von der Herkunft geprägt, wie Regina Radinger von der Direktion Bevölkerung betonte. Die Herkunft entscheide dann in der Folge auch, wer an eine öffentliche Uni gehe (44 Prozent Akademikerkinder) und wer an eine Fachhochschule/FH (32 Prozent Akademikerkinder).

Interaktive Landkarte mit allen Schulen und Schülern

Ganz konkrete Einblicke in jede einzelne der rund 6000 Schulen Österreichs bietet ein neues Tool, das die Statistik Austria online anbietet. Die interaktive Karte zeigt, wie viele Klassen und Schüler es an einem Standort gibt und aus welchem Einzugsgebiet seine Schüler kommen. Es wird gezeigt, in welche weitere Schule die Schüler nach der Volksschule beziehungsweise nach der 8. Schulstufe wechseln. Die Daten seien vor allem für die Standortplanung neuer Schulen interessant, sagte Pesendorfer. Sie geben aber insgesamt einen guten Überblick.

Link zur interaktiven Karte der Statistik Austria