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Nach dem Terror kehrt Normalität wieder zurück

Von Barbara Ottawa, London

Politik

Es war ruhiger als normalerweise am Beginn der Rushhour in London. 260.000 Pendler fahren täglich in die Stadt zur Arbeit, gestern Früh waren es sicher einige tausend weniger. Erstaunlich viele davon entschlossen sich jedoch am Freitag trotz der Anschläge vom Vortag die U-Bahn zu nehmen.


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So auch in der Earl's Court Station. Der Bahnsteig der District Line war voll mit Menschen, die geduldig auf den nächsten Zug warteten. Auch die Piccadilly Line, jene Linie, wo 21 Menschen starben und in deren Waggons gestern Dutzende Menschen bis zu eineinhalb Stunden auf das Ok zum Aussteigen warten mussten, wurde gestern schon wieder frequentiert.

"Es ist ok", antwortete eine Sekretärin auf dem Weg in die Arbeit im Zentrum der Stadt auf die Frage wie sie sich fühle, einen Tag nach den Terroranschlägen die U-Bahn zu benutzen. "Man muss das tun. Es muss weitergehen."

"Das Leben geht weiter", sagte auch ein irischer Geschäftsmann mit einem Lächeln. Er war einer jener, die am Donnerstag nicht mehr nach Hause fahren konnten und in einem Hotel übernachten musste. "Es ist beruhigend wie gut die Einsatzkräfte reagiert haben." Er selbst kennt solche Situationen aus Nordirland und auch viele Londoner können sich noch an die IRA-Anschläge in den 70er Jahren erinnern. Diese Erfahrung hat sicher auch den britischen Einsatzkräften geholfen, so gut mit der Lage umzugehen. Und doch war es diesmal anders. "Die Anschläge kamen aus heiterem Himmel. Es gab keine Warnung", sagte Innenminister Charles Clarke im Frühstücksfernsehen.

In der ganzen Stadt wurde gestern die Polizeipräsenz erhöht, jede U-Bahnstation wurde bewacht. Dennoch konnte man spüren wie das Leben nach London zurückkehrte. Der Stadtkern, der am Donnerstag eher einer Geisterstadt geglichen hatte, füllte sich wieder mit Menschen. Die Geschäfte, die nach den Anschlägen fast ausnahmslos gegen drei Uhr nachmittags ihre Rollläden heruntergelassen hatten, "wegen der traurigen Vorfälle" und vor allem deshalb, weil die Angestellten - genauso wie die meisten

Londoner - zu Fuß nach Hause gehen mussten, öffneten am Freitag Morgen pünktlich wieder ihre Türen.

Die "stoische Ruhe" der Londoner, die von Tony Blair in seiner zweiten Ansprache nach den Anschlägen gelobt worden war, zeigte sich auch gestern. Obwohl die meisten U-Bahn- und Buslinien den Betrieb wieder aufnehmen konnten, kam es zu Verspätungen. Geduldiges Warten auf das Transportmittel - wie es in London üblich ist - war selbstverständlich. Wer sich in der Schlange vordrängen wollte, wurde höflich zurechtgewiesen - auch am Tag nach den schlimmsten Anschlägen, die die britische Hauptstadt jemals erlebt hat.