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Nach den Kämpfen kommt die mühsame Suche nach Stabilität

Von Marc Bastian und Ahamadou Cisse

Politik

Misstrauen unter den ethnischen Gruppen erschwert politische Gespräche.


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Bamako/Timbuktu/Paris. (afp/apa) Nach dem Einmarsch in Mali will sich Frankreich möglichst schnell wieder aus dem Land zurückziehen. Nötig ist dazu einerseits die militärische Stabilisierung vor allem im Norden Malis: "Wir wollen schnell von den Truppen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas abgelöst werden", hob der französische Außenminister Laurent Fabius am Montag hervor. Andererseits ist auch ein politischer Aussöhnungsprozess unerlässlich, der in freie Wahlen im Sommer münden soll. Beides ist nicht einfach zu bewerkstelligen.

Auf militärischem Gebiet können die Franzosen seit ihrer Intervention Mitte Jänner große Erfolge vermelden: Der Norden Malis, den islamistische Gruppen monatelang beherrscht hatten, ist weitestgehend unter ihrer Kontrolle. In Kidal sind nach französischen Angaben 1800 tschadische Soldaten eingezogen, die Afrikaner sollen die ehemalige Islamisten-Hochburg sichern. Die ersten französischen Soldaten haben Timbuktu bereits wieder verlassen und das Kommando an die malische Armee übergeben. Selbst in der schwer zugänglichen Gebirgsregion an der Grenze zu Algerien, in die sich Anführer der Islamisten geflüchtet haben, lässt die französische Armee nicht locker. Fabius machte deutlich, dass die Armee dort derzeit "sehr effizient" den Nachschub der Islamisten unterbreche.

Ziel ist es, dass über kurz oder lang die malische Armee zusammen mit der westafrikanischen Misma-Truppe, die im Moment stationiert wird, und Soldaten aus dem Tschad das Land kontrolliert. Doch hier beginnen die Schwierigkeiten: In der Stadt Kidal im Norden lehnen die bewaffnete Tuareg-Truppe MNLA sowie die gemäßigte Abspaltung der islamistischen Tuareg-Gruppe Ansar Dine, die MIA, eine Stationierung malischer und westafrikanischer Soldaten ab. MNLA und MIA unterstützen zwar die Intervention der Franzosen, doch unter der malischen Armee befürchten sie blutige Racheakte gegen "Weiße" - also Tuareg und Araber.

Berichte über Gräueltaten der malischen Armee gefährden die militärische, aber auch die politische Stabilisierung im Land. Denn vor allem die Tuareg der laizistischen MNLA, die zwar an dem Aufstand gegen die Zentralregierung beteiligt waren, dann aber selbst von den Islamisten vertrieben wurden, gelten als wichtige Gesprächspartner für den Übergang. Dass zwei hochrangige Islamisten-Führer am Sonntag im äußersten Norden offenbar von der MNLA festgenommen wurden, wird von deren Organ "Tamazgha" im Internet als eine Geste politischer Kooperation dargestellt.

Paris drängt die malische Regierung in Bamako, möglichst rasch einen politischen Dialog mit Vertretern der Bevölkerung im Norden aufzunehmen. Auch mit "nicht terroristischen bewaffneten Gruppen, die die Einheit Malis anerkennen", muss nach Ansicht des französischen Außenministeriums gesprochen werden. Damit ist klar die MNLA gemeint, die nicht mehr auf einen eigenen Staat in Nordmali besteht.

Misstrauen gegen Tuareg

Auch Übergangspräsident Dioncounda Traore, der bereits vor dem 31. Juli Wahlen abhalten will, ist zu Gesprächen mit Tuareg-Vertretern bereit, nicht aber mit islamistischen Tuareg von Ansar Dine oder MIA. Bei vielen Maliern sitzt freilich das Misstrauen gegenüber allen Tuareg tief, also auch gegenüber der MNLA. Bei der schwarzen Bevölkerungsmehrheit im Norden sind sie ebenso wie Araber als Kollaborateure der brutalen Islamisten verhasst.

Insgesamt sollen inzwischen fast 400.000 Menschen aus Mali geflohen sein. "Wir können nicht ohne die Araber und Tuareg leben", sagt der Bürgermeister von Timbuktu, Halle Ousmane Cisse. Und auch der Bürgermeister im nordmalischen Gao, Sadou Harouna Diallo, ruft die Flüchtlinge zur Rückkehr auf. Ohne die Araber gäbe es in "Gao keine Wirtschaft mehr". Denn auch vom wirtschaftlichen Wiederaufbau - einer Herkulesaufgabe vor allem im Norden Malis - wird die Stabilisierung des Landes entscheidend abhängen. In dem ohnehin bitterarmen Land sind Wasser- und Stromversorgung, öffentliche Gebäude und Geschäfte durch die Kämpfe zerstört. "Selbst wenn wir heute eine Verwaltung hätten, wäre sie nicht einsatzbereit", sagt Cisse in Timbuktu. "Ich bin Bürgermeister, aber ich habe nicht einen einzigen Stuhl und keinen Computer."

Unterdessen wächst in Algerien die Angst, dass Extremisten aus Mali einsickern könnten. Die algerische Armee hat ihre Präsenz im Grenzgebiet zu Mali massiv verstärkt. "Die Armee ist schon seit längerem an der Grenze stationiert, aber seit dem Beginn des Krieges ist Verstärkung eingetroffen", sagte ein Abgeordneter der Grenzstadt Tamanrasset am Montag. Bereits am 14. Jänner hat Algerien die Grenze zu Mali geschlossen. Ohne diese Verstärkung wäre es sicherlich zu einem Einfall von Terroristen gekommen, heißt es in Tamanrasset.