Nach einer Debatte wurde die Unabhängigkeit Kataloniens - für den Fall des Dialogs - aufgeschoben.
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Barcelona. Um 18 Uhr hätte Carles Puigdemont vor die Kameras treten sollen, um zur "politischen Situation" Stellung zu nehmen. Geworden es dann 19:15 Uhr. Dazwischen lag eine gute Stunde hitziger Debatte zwischen ihm und den Abgeordneten der CUP, der linksradikalen separatistischen Partei, die Puigdemonts Regierung die Mehrheit in Sachen Unabhängigkeitsbestrebungen immer besorgt. Die CUP hat angeblich laut Kreisen erst eine Stunde vor dem angekündigten Auftritt den Redetext Puigdemonts übermittelt bekommen. Und dann das hineinreklamiert, was sie immer reklamiert: die Erklärung der Unabhängigkeit.
Und Puigdemont war im Zugzwang: Die Kameras warteten, die Augen ganz Europas waren auf den Plenarsaal des katalanischen Parlaments gerichtet. Wann wird er kommen?
Als er schließlich den Saal betrat und sich ostentativ Zeit ließ, bis er sich dem Mikrofon näherte, kommentierten es die spanischen Medien in Ermangelung einer berichtenswerten Ansage wie ein Fußballspiel: Puigdemont lächelt. Er wirkt entspannt. Tut er nur so? Er hat seine Brille im Mund - eine Geste, die wir kennen. Er rückt in seinem Sessel, um sich bequemer hinzusetzen. Er blättert in seiner Mappe. Der Redetext ist sehr lang. Es kann wohl eine Stunde dauern. Es geht um das Schicksal Spaniens.
Schließlich schlendert Puigdemont zum Redepult. Er erinnert an die Zeit Francos, er erinnert daran, wie Katalonien dem Gesamtstaat Spaniens dabei geholfen hat, zu einer modernen Demokratie zu werden. Er erinnert daran, dass Spanien im Jahr 2010 das reformierte Autonomiestatut Kataloniens - in dem sich Katalonien als Nation bezeichnete und die katalanische Sprache als bevorzugte Behördensprache titulierte - gekippt hatte.
Und schließlich erinnerte Puigdemont an den 1.Oktober, den Tag, als seine Regierung ein Referendum abhalten ließ, dessen Durchführung die Zentralregierung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern wollte. Die Bilder werde man nie vergessen, erklärte Puigdemont. Die Zivilbevölkerung, die von der nationalen Polizei und der Guardia Civil brutal am Wählen gehindert worden ist. Katalonien hat sich das Recht verdient, ein eigener Staat zu sein.
Das ist sie nun, die Erklärung der Unabhängigkeit. Oder ist sie es nicht?
Die aufgeschobene Unabhängigkeit
Auf einmal geht es in seiner Rede wieder um den Dialog. Es ist offenbar wieder der Redetext, auf den sich offenbar Puigdemonts Bündnis Junts pel Si geeinigt hatte, bevor die CUP die Unabhängigkeit hineinreklamiert hatte.
Er, Puigdemont, setze nun den Unabhängigkeitsprozess aus, um in den nächsten Wochen einen Dialog und eine Vermittlung mit der Zentralregierung in Madrid einzuleiten.
Am Sonntag vor einer Woche hatte Puigdemont ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid ein Referendum über die Unabhängigkeit abhalten lassen. Bei der von den Gegnern der Abspaltung mehrheitlich boykottierten Befragung gewann das "Ja"-Lager mit rund 90 Prozent, die Beteiligung lag jedoch bei nur 43 Prozent. Dennoch reklamierte Puigdemont anschließend, damit habe Katalonien das "Recht auf Unabhängigkeit" erlangt.
Puigdemonts Auftritt vor dem Regionalparlament am Dienstag in Barcelona war mit Spannung und Nervosität erwartet worden. Noch kurz vor seiner Rede hatte der Innenminister der Zentralregierung, Juan Ignacio Zoido, einen "letzten Aufruf" an Puigdemont gemacht, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen.
Schon ab dem Nachmittag hatten sich immer mehr Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung unweit des Parlaments versammelt. Die Stimmung war zunächst gespannt, aber friedlich. Auf dem Platz vor dem Parlament brandete immer wieder Jubel auf, wenn Puigdemont vom Ergebnis des Referendums sprach.