Liste der potenziellen Anwärter wird länger.
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Wien. Man muss nicht gleich Frank Stronach zitieren, dessen Wahrspruch bekanntlich "Wer das Gold hat, macht die Regeln" lautet. Aber ganz falsch liegt der Milliardär, der so gerne Politiker wäre, nicht, wenn man den Satz auf die österreichische Bundesregierung umlegt. Sicher, der Bundeskanzler steht als Regierungschef über allen anderen; doch anders als etwa Angela Merkel verfügt Werner Faymann über keine politische Richtlinienkompetenz.
Dieser Umstand macht das Finanzministerium zum natürlichen Objekt der Begierde für jede Regierungspartei. Es ist der Finanzminister, im aktuellen Fall Finanzministerin Maria Fekter, die über das Budget herrscht, den Vollzug überwacht und über versteckte Reserven Bescheid weiß. Kein Wunder, dass ÖVP-Obmann Michael Spindelegger vor Jahresfrist versuchte, vom Außenministerium an die Spitze des Finanzministeriums zu wechseln; er scheiterte jedoch an innerparteilichen Widerständen; auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, pikanterweise ebenfalls Wirtschaftsbündler und Oberösterreicher wie Amtsinhaberin Fekter, wird Interesse am Job des Säckelwarts nachgesagt.
Gegengewicht zum Kanzler
Entscheidend ist das Ergebnis der ÖVP im Vergleich zur letzten Wahl. Je kleiner Spindeleggers Ergebnis, desto größer die Chancen von Fekter und Mitterlehner. Innerparteilich hat Fekter von den beiden das bessere Standing, ist zu hören. Doch beide sind keine Niederösterreicher. Und dort sitzt noch immer der mächtigste ÖVPler in Gestalt von Landeshauptmann Erwin Pröll. In seinen Reihen hat Landesrat Stephan Pernkopf Kronprinzenstatus und ist Prölls logische Personalreserve für Machtzentren im Bund.
Geht man von einer Fortsetzung der großen Koalition aus, steht über all diesen Personalfragen die Grundsatzfrage, ob Kanzlerpartei oder Juniorpartner den Schlüssel zum Tresor bekommen.
Derzeit ist es aus parteipolitischen Überlegungen à la Checks & Balances weitgehend undenkbar, dass die ÖVP als Juniorpartner auf das Finanzministerium als zentralen Machthebel verzichtet. Oder simpler ausgedrückt: Wenn Rot den Kanzler hat, wird Schwarz auf das Finanzministerium pochen. Und umgekehrt gilt das wohl genauso. Entsprechend unzweideutig formuliert das auch ÖVP-Budgetsprecher Günter Stummvoll, der selbst einmal (1988 bis 1991) als Staatssekretär im Finanzressort werkte: "Unvorstellbar", antwortet er knapp auf die Frage nach der Möglichkeit, dass die ÖVP auf das Finanzministerium verzichten würde. "Es müsste schon gravierende Machtverschiebungen geben, dass die ÖVP so ein entscheidendes Ministerium aufgibt", bleibt auch der einstige Finanzstaatssekretär unter Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP), Christoph Matznetter (SPÖ), Realist. Es gibt auch andere Stimmen. "Das ist nicht in Stein gemeißelt", sagt ein einflussreicher SPÖ-Abgeordneter zur parteilichen Trennung zwischen Kanzler und Finanzminister; er möchte in der hitzigen Wahlkampfzeit nicht namentlich genannt werden. In der Geschichte sei es eher die Regel gewesen, dass beides in einer Hand blieb. Mit Kanzleramt und Budgetverantwortung parteilich vereint regiert es sich viel leichter, argumentiert der Parlamentarier und nennt seinen Favoriten, sollte Werner Faymann Kanzler bleiben: Staatssekretär Josef Ostermayer, Regierungskoordinator auf SPÖ-Seite und auch sonst Faymanns rechte Hand. "Die kennen sich ewig und zwei Tage und sind die bestfunktionierende personelle Achse im Land."
Bereits oft in den Medien genannt wurde Andreas Schieder. Der müsste dabei nicht einmal groß übersiedeln, schließlich wirkt er schon jetzt als roter Aufpasser im schwarz geführten Ressort. Eine solche Rochade würde dem Kanzler doch noch zu jener Richtlinienkompetenz verhelfen, die ihm die Verfassung versagt (allerdings verfügt jeder Minister über ein theoretisch umfassendes Vetorecht, da der Ministerrat als Kollektivorgan der Regierung nur einstimmig entscheiden kann).
Die Krisenzentrale
Das Ressort des Finanzministers war politisch nicht immer so anziehend. Die (allesamt schwarzen) Vizekanzler in den großen Koalitionen seit 1986 haben wahlweise auf das Außenministerium (Alois Mock und Wolfgang Schüssel), das Wissenschaftsministerium (Erhard Busek) oder das Agrarressort (Josef Riegler) gesetzt. Doch in den 90er Jahren stieg die politische Bedeutung des Außenministeriums, zuerst durch die Annäherung an die EU, sodann durch die Beitrittsverhandlungen und schließlich durch den EU-Beitritt. Die Außenminister waren damals noch im Zentrum der europäischen Politik und natürlicher Teil jedes Gipfeltreffens. Das ist die Zeit der roten Doppelspitze aus Kanzler und Finanzminister, auf die der SPÖ-Abgeordnete angespielt hat.
Mit der globalen Finanz- und Schuldenkrise kam die Machtverschiebung zum Finanzminister. Die politische Agenda änderte sich von Grund auf. Statt der vornehmen Diplomaten rückten jetzt ihre ruppigeren Kollegen aus den Finanzressorts ins mediale und politische Scheinwerferlicht. Schließlich galt es die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen, die europäischen Banken vor dem Kollaps zu bewahren und den Euro, das sichtbarste Zeichen der europäischen Integration, zu retten, indem Griechenland, Portugal, Irland, Zypern und Spanien mit Milliardenkrediten gestützt werden mussten. Der Finanzminister als Krisenminister. Seitdem hängen die Medien an den Lippen der Finanzminister, während die Außenminister von der großen Bühne abgemeldet sind.
Staatssekretär als Aufpasser
Ferdinand Lacina, SPÖ-Finanzminister unter einem SPÖ-Kanzler von 1986 bis 1995, zeigt sich von den historischen Machtverschiebungen unbeeindruckt. Kanzleramt und Säckelwart gehörten in eine Hand. Dies gebe dem Regierungschef die Möglichkeit, sich über die Finanzsituation in den anderen Ressort aktuell und akkurat zu informieren.
Den Koalitionspartner will Lacina deshalb aber nicht zur Gänze aus dem Ressort verbannen; über einen Staatssekretär, der tunlichst auch vom Minister pfleglich zu behandeln sei, müsse auch der Regierungspartner die Möglichkeit haben, sich aus erster Hand über den tatsächlichen Zustand der Staatsfinanzen zu informieren; schon allein, um sich nicht später aus der Verantwortung absentieren zu können, wie der ehemalige Minister anfügt. Entsprechend sei es ein Fehler gewesen, als die SPÖ unter Viktor Klima (1996 bis 1999) die ÖVP aus dem Ressort verbannte. Und ein ebensolcher sei es gewesen, als dann bei der Neuauflage der rot-schwarzen Koalition nach 2006 die ÖVP dazu überging, ihre SPÖ-Staatssekretäre als "Gegner im eigenen Haus" anzusehen, ist Lacina überzeugt.
Die Ära Grasser
Stummvoll, der unter Lacina als schwarzer Staatssekretär fungierte, rückt das Bild aus Sicht eines kleineren Regierungspartners zurecht: "Zu viel Macht in den Händen einer Partei" in einer Koalition schade dem Ziel gemeinsamen Regierens, das Ministerium sei das natürliche Gegengewicht zum Kanzleramt - weshalb 2006, bei der Neuauflage der großen Koalition nach einem schwarz-blauen Intermezzo, Wolfgang Schüssel auf dem Finanzministerium für die ÖVP beharrt habe. 2004 bis 2006 hatte das Schüssel bekanntlich noch anders gesehen, da saß nämlich der in die ÖVP hineinkooptierte Karlheinz Grasser noch im ehemaligen Winterpalais des Prinzen Eugen, dem damaligen Sitz des Ministeriums; da war die ÖVP kräftemäßig jedoch gut viermal so stark wie der Juniorpartner BZÖ.
Machtgewinn und -verlust
Warum die SPÖ so am Verlust des Finanzministeriums kiefelt, liegt auch daran, dass dessen Einfluss sich ständig erweiterte. Bei der Verstaatlichten-Holding ÖIAG, der Banken-Holding Fimbag und weiteren Gesellschaften sei, so Lacina, das Ministerium sowohl Gesellschafter als auch Kontrollor. Der ehemalige SPÖ-Politiker plädiert deshalb für ein abgeschlanktes Finanzministerium nach der Wahl, indem die Aufgaben zu anderen Ministerien oder zum Bundesrechenzentrum wandern.
Dass das Ressort immer mächtiger wird, stimmt so allerdings nicht. Tatsächlich hat die Reform des Haushaltsrechts die Budgetautonomie der einzelnen Ministerien gestärkt. Sie können frei über ihre "Globalbudgets" verfügen und müssen nicht jede Bleistift-Lieferung dem Finanzminister melden. Was die ÖIAG betrifft: Hier ist der größere Einfluss weniger wert, ist die Bedeutung der Verstaatlichten doch dramatisch geschrumpft.
Und es gibt noch die EU: Die Mitgliedschaft schränkt den nationalen Handlungsspielraum massiv ein, etwa in Sachen Budget- und Währungspolitik (wobei vor der Europäischen Zentralbank die Deutsche Bundesbank die Richtung vorgab).
Stummvoll lobt die vergangenen Reformen hin zur Eigenverantwortung: "Zu meinen Zeiten wurde noch über Beträge von 50.000 Schilling oder die Anzahl der Mitarbeiter in einer Botschaft gestritten, das fällt jetzt weg und das ist kein Nachteil."