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Nach Eintritt bitte schweigen

Von Walter Hämmerle

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Es gibt viele gute Gründe, Mitglied bei einer politischen Partei zu sein. Der Wunsch, Politik mitzugestalten, gehört eher nicht dazu.


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Was treibt einen in die Arme einer Partei? Einst waren es Jobs, Wohnungen, Geselligkeit oder Tradition. Jedenfalls dürfte es nicht die Lust am politischen Engagement gewesen sein.

Zumindest an Letzterem hat sich bis heute nichts geändert. Wer sich politisch weitgehend entmündigen lassen will, tritt einer Partei bei. Ab diesem Moment delegiert er sein Urteilsvermögen an die jeweilige Parteispitze. Als einfaches Mitglied, kleiner Funktionär hat man bei den wirklich wichtigen Fragen exakt nada, niente, rien, also ganz genau nichts mitzureden. Eine eigene Meinung gilt dementsprechend als subversiver Akt des Widerstands, wenn nicht gleich als offener Aufstand. Bemerkenswerterweise gehen in dieser Beurteilung Medien und Parteispitzen völlig d’accord.

Entscheidungen werden in Österreichs Parteien gewohnheitsmäßig im allerkleinsten Kreis getroffen. Wenn daher etwa in der Kanzlerpartei SPÖ das jahrzehntelange Dogma der allgemeinen Wehrpflicht über Bord geworfen wird, dann genügt es völlig, dass sich Michael Häupl entsprechend äußert, der Kanzler nickt und Verteidigungsminister Norbert Darabos im Nachhinein informiert wird. Wenn die ÖVP wieder einen neuen Obmann braucht, dann berät sich Erwin Pröll hinter verschlossenen Türen mit dem niederösterreichischen Landeshauptmann.

In anderen Ländern kommen Menschen dagegen auf so verquere Ideen wie die Kür von Spitzenkandidaten und Obleuten per Urabstimmung unter den Parteimitgliedern. Warum ausgerechnet Österreich, das sich nicht zuletzt durch die weltweit höchste Dichte an Parteibüchern auszeichnet, eine derart elitär organisierte Entscheidungskultur entwickelt hat, lässt sich allenfalls historisch erklären, für die Gegenwart rechtfertigen sicher nicht. Es sei denn, mit dem lapidaren Hinweis, dass es einfach angenehmer ist. Zumindest für diejenigen, die das Steuerrad in der Hand halten (oder was sie eben dafür halten).

Man muss ja nicht gleich den USA nacheifern, wo die Kandidatenkür der beiden Parteien regelmäßig zu einer Schlammschlacht unter Parteifreunden ausartet, bei der nur mitmacht, wer es sich selbst leisten kann oder über die entsprechend potenten Förderer verfügt. Aber der Gedanke, dass parteiinterne Karriereleitern nicht davon abhängen, in welchem Netzwerk sich wer wie einspinnen hat lassen, hätte durchaus Charme. Zumindest müssten die Parteien wieder öffentlich über ihre politischen Ziele und die Wege, wie sie diese zu erreichen gedenken, diskutieren. Statt nur Plattitüden von sich zu geben.

Tatsächlich stehen Mitglieder diesbezüglich unter besonderer Beobachtung. Wer einsame Entscheidungen seiner Parteioberen hinterfragen will, muss damit leben, dass ihn allenfalls die Medien zum Helden küren, das eigene Partei-Establishment ihn aber zum Unruhestifter erklärt, der nun das Geschäft der politischen Gegner betreibe. Die Grabesruhe als Idealvorstellung innerparteilicher Lebendigkeit ist irgendwie ein österreichisches Spezifikum. Muss mit der hiesigen Vorliebe für tolle Begräbnisse zusammenhängen. Irgendwie halt.