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Nur drei Wochen nach der Entlassung Osttimors in die Unabhängigkeit ist die Einheit des indonesischen Riesenreiches nun vom westlichen Rand her bedroht. Fast eine Million Menschen demonstrierte am
Montag in der Unruheprovinz Aceh im Norden Sumatras für die Loslösung von Jakarta · friedlich noch, aber die Lage ist explosiv.
Die Gefahr für den Bestand Indonesiens, die jetzt von Aceh ausgeht, ist viel ernster als es das Problem Osttimor je war. Zwischen beiden Krisenherden liegen 5.000 km und gewaltige historische,
ökonomische und politische Unterschiede. Vor allem: Im Gegensatz zum katholischen und früher portugiesischen Osttimor, das 1975 gewaltsam als 27. Provinz Indonesiens annektiert wurde, ist das streng
moslemische Aceh integraler Bestandteil der Republik seit ihrer Unabhängigkeit von den Niederlanden 1945.
Schlimmer noch: Die Bewohner Acehs, die den Holländern über Jahrhunderte Widerstand geleistet haben, gelten als Helden des indonesischen Unabhängigkeitskampfes. Auch wirtschaftlich sind die beiden
Pulverfässer nicht miteinander zu vergleichen. Das bitterarme Osttimor war für Jakarta nie mehr als ein "Haufen Steine", dessen brutale Unterdrückung über fast ein Vierteljahrhundert Milliarden an
Kosten verschlang.
Aceh dagegen ist reich. Erdöl, vor allem Gas, Holz, Kautschuk, Kaffee brachten der Zentralregierung in Jakarta jedes Jahr Einnahmen von etwa 4 Mrd. Dollar (3,84 Mrd. Euro/52,9 Mrd. Schilling).
Weniger als ein Zehntel davon verblieb bei den etwa vier Millionen Menschen in Aceh. Schon signalisiert die Führung der Unabhängigkeitsbewegung "Aceh Merdeka" (Freies Aceh) in Richtung Singapur
Bereitschaft, über die Lieferung von Erdgas zu verhandeln.
Noch ist es nicht so weit. Indonesiens neuer Präsident Abdurrahman Wahid will mit der Zusage seines Vorgängers B. J. Habibie ernst machen und das zentralistische Riesenreich in einen föderativen
Bundesstaat verwandeln. Dazu gehörte für Aceh auch die Steuerhoheit. Die Provinz hätte endlich Nutzen aus ihrem Reichtum. "Die Ausbeutung der Provinzen durch die Zentralregierung hat Hass und
Misstrauen gesät", erkannte auch Habibies Beraterin, Dewi Fortuna Anwar.
Doch wie seinem Vorgänger könnten auch Wahid die Dinge aus der Hand gleiten: Unerwartet eindeutig sagte er: "Natürlich unterstütze ich ein Referendum in Aceh. Das ist ihr Recht. Die Frage ist: Wann?"
Mit dieser Äußerung wollte der auch in Aceh hoch angesehene Wahid Zeit gewinnen, und den Hitzköpfen der Bewegung "Aceh Merdeka" den Wind aus den Segeln nehmen. Zusammen mit dem Rückzug des verhassten
Militärs, das sich seit Ende der 70er Jahre grausamer Menschenrechtsverletzungen schuldig machte, will Wahid mit seinem Zugeständnis den Konflikt entschärfen. Wenn dieser Versuch in Aceh scheitert,
dann wird er auch in den anderen Unruheprovinzen, auf den Molukken und in Irian Jaya nicht glücken. Der Zerfall Indonesiens wäre nicht mehr aufzuhalten.
Noch hält sich die Armee in Indonesien zurück. Doch es ist die Frage, wie lange. Hinter den Kulissen brodelt es bereits gewaltig: Vor allem vom bisherigen starken Mann, dem von Wahid in einem mutigen
Schritt abgesetzten Ex-Stabsschef und Verteidigungsminister Wiranto geht große Gefahr aus. Sollte Indonesien tatsächlich zu zerfallen drohen, könnte er gemeinsam mit einigen unzufriedenen Offizieren
einen Militärcoup durchführen. Mit Wahid hat er eh noch eine Rechnung zu begleichen.