Der Skandal um dubiose Kreditvergaben der Bank Burgenland gab den Ausschlag: Die Burgenländer und Burgenländerinnen werden am 3. Dezember zu vorgezogenen Landtagswahlen gebeten. Sowohl ÖVP als auch SPÖ rittern um den Landeshauptmann-Sessel. Verlieren beide Parteien signifikant, will die FPÖ ihren Anspruch geltend machen. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem Kandidaten der Volkspartei, Landeshauptmann-Stellvertreter Gerhard Jellasitz.
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Wiener Zeitung: Herr Landeshauptmann-Stellvertreter: Die Studenten ziehen in diesem Augenblick über den Ring, protestieren lautstark gegen die Einsparungspolitik der Regierung. Sie wollen nun für burgenländischen Studenten, die zügig studieren, die Gebühren übernehmen. Wie fühlt sich dabei ein junger Vorarlberger?
Jellasitz: Ungleichheiten zwischen den Ländern gibt es ja in vielen Bereichen: Bei der Wohnbauförderung zum Beispiel, soziale Förderungen sind nicht überall gleich, warum sollen nicht auch die Studentenförderungen unterschiedlich sein? Sie sind ja auch schon unterschiedlich. Ich bin sicher, dass es Länder gibt, die weit mehr für Studentenheimplätze aufwenden.. Es besteht ja jetzt schon eine Verzerrung. Ich möchte den burgenländischen Studenten gewährleisten, dass sie studieren können, und zwar unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.
WZ: Zum burgenländischen Budgetdefizit, das ihrer Aussage zufolge "alarmierend" ist. Konkurrent Hans Nießl von der SPÖ wirft ihnen in diesem Zusammenhang "Rosstäuscherei" vor, denn sie hätten dieses Defizit ja mitverursacht?
Jellasitz: Das ist pure Polemik, denn ich sage ja nicht, dass die bisherigen Ausgaben nicht notwendig waren. Ich bekenne mich dazu und habe das nie in Abrede gestellt. Ich sage, und mit mir der Rechnungshof, wenn wir so mit der Dynamik der Verschuldung weitermachen, dann haben wir in wenigen Jahren acht Milliarden Schilling Schulden und das wäre unverantwortlich. Ich habe als einziger bisher ein Papier vorgelegt, wie ich das Budget ordnen werde. Mir ist von keiner anderen Partei, schon gar nicht von Herrn Nießl ein Vorschlag bekannt, wie er das Budget für die nächsten Jahre in den Griff bekommen will.
WZ: Es wird kolportiert, dass Paul Kiss, burgenländischer Nationalratsabgeordneter der ÖVP, gemeint hat, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ würde ihm "viel mehr Spaß machen" als eine mit der SPÖ. Wird Burgenlands ÖVP dem Beispiel der Bundespartei folgen?
Jellasitz: Ich möchte für alle Parteien offen sein. Ich werde zuerst die Entscheidung der Burgenländer abwarten, dann werde ich mit meinen Programmen als Grundlage, die ich bisher als einziger präzise vorgelegt habe, Parteiengespräche führen. Mit der SPÖ und mit der FPÖ und mit den Grünen, wenn sie in den Landtag kommen, und ich werde sehen, wer mich dabei unterstützt, mit wem ich dieses Programm umsetzen kann, und mit dem werde ich das tun. Das ist der einzige wirkliche Grund, es wird sonst keine anderen Motive geben. Ich schließe nicht aus, dass die SPÖ sich nicht sofort mithilfe der FPÖ den Landeshauptmann sichert. Denn wenn es um die Macht geht, ist die SPÖ noch nie zimperlich gewesen, es hat noch nie Berührungsängste gegeben. Es gab im Burgenland noch nie eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ, zwischen SPÖ und FPÖ allerdings schon.
WZ: Was interessant ist, ist dieser vielzitierte "Burgenländische Weg", den sowohl sie, als auch Konkurrent Nießl mit der Bevölkerung gehen will. Um was gehts dabei genau und widerspricht das nicht einem "Neuanfang" , den die burgenländische ÖVP schaffen will.
Jellasitz: Nein, denn der Neubeginn bezieht sich darauf, dass im Burgenland eine Ära zu Ende geht, nämlich die Ära Stix. Es wird einen neuen Landeshauptmann geben. Das Burgenland braucht neue Strukturen in der Wirtschaft, man muss Kleinbetriebe und Jungunternehmer fördern, wir brauchen eine gut gebildete Jugend, wir müssen uns gegen Osten öffnen. All das sind neue Politikfelder, und denen müssen wir mit neuem Denken begegnen. Da gehört eine Bewusstseinsänderung dazu, es muss uns klar sein, dass mit den bisherigen Formeln und den bisherigen Rezepten nichts läuft in den nächsten Jahren. Da gehört Mut dazu, dass man beim Budget aufpasst, wir müssen den Mut haben zu sagen, dass wir in der Politik nicht alles lösen können. Ein Übel in der heutigen Politik ist ja auch, dass man immer verschwommen mit Phrasen agiert, ohne konkret zu sagen, was man will: Ich sage es. Ich lege meine Ideen schriftlich vor: Budgetsanierung, Verwaltungsreform. Punkt für Punkt. Man kann mich natürlich auch kritisieren, kann mich festmachen, das geschieht auch von den politischen Gegnern, das nehme ich in Kauf. Aber die Wähler sollen bei mir wissen, woran sie sind.
WZ: Stichwort Bank Burgenland: War das nun ein reiner Kriminalfall oder ein Polit-Skandal?
Jellasitz: Es ist beides. Es ist ein Kriminalfall und es ist auch ein Polit-Skandal. Denn der Landeshauptmann (Stix, Anm.) hat hier versagt, selbst wenn ich ihm bis Jänner dieses Jahres die Versäumnisse schenke, als Finanzreferent ist er politisch verantwortlich. Denn von Jänner bis Juni dieses Jahres sind noch einmal 400 Millionen Schilling an Krediten vergeben worden, noch einmal dieser Schaden entstanden, und dafür ist er verantwortlich. Er hat von der Bankenaufsicht gewusst, dass man Gassner (Generaldirektor der Bank Burgenland, Anm.) nicht mehr bestellen darf, und er hat es trotzdem betrieben. Die Bankenaufsicht ist umgefallen...
WZ: Apropos Bankenaufsicht. Die wollten Sie ja klagen. Was ist daraus geworden?
Jellasitz: Jetzt darf ich ja noch nicht klagen. Wenn ich Landeshauptmann werde, werde ich das tun. Denn die Bankenaufsicht ist kläglich umgefallen. Zuerst hat sie gesagt: Gassner darf nicht mehr bestellt werden, dann hat es ein paar Gespräche mit Landeshauptmann Stix gegeben, und dann sind sie plötzlich umgefallen und haben die Bestellung zur Kenntnis genommen. Das ist eine Verbeugung vor dem Landeshauptmann - oder was auch immer. Jedenfalls ein schwerer Fehler der Bankenaufsicht und des Landeshauptmanns und damit ein Schaden in der Höhe von hunderten Millionen für das Burgenland.
WZ: Der Klubobmann der Freiheitlichen im Burgenland, Wolfgang Rauter, will jetzt in der Causa "Bank Burgenland" auch gegen die "politischen Sekretäre" vorgehen, unter anderem gegen ihren Büroleiter Michael Freismuth. Weswegen?
Jellasitz: Das ist Polemik. Der Dr. Freismuth war in der Holding der Bank Burgenland, die hat überhaupt nichts mit dem operativen Geschäft zu tun, sondern in dieser Holding wurden lediglich die EigentümerAktien verwaltet, sonst gar nichts. Es gab keinen einzigen aktiven Kreditfall, der dort behandelt worden wäre, und das weiß der Dr. Rauter ganz genau. Er vermengt das absichtlich. Das tut er immer wieder, auch im Zusammenhang mit mir und ist hier unaufrichtig. Aber das ist seine Sache, das ist das Charakterprofil des Kollegen Rauter, dagegen kann ich nichts tun.
WZ: Rauter definiert die Verantwortung, die die ÖVP am Debakel trägt, mit 30 Prozent . . .
Jellasitz: Das ist lächerlich. Entweder es gibt eine Verantwortung, oder es gibt keine.
WZ: Zurück zum "Neuanfang". Ist der jetzt mit dieser SPÖ überhaupt vorstellbar?
Jellasitz: Natürlich. Mit jeder Partei.
WZ: Welches Ergebnis erwarten sie sich für die ÖVP am dritten Dezember.
Jellasitz: Ein gutes (lacht).
WZ: Sie trauen sich keine Voraussage zu machen?
Jellasitz: Das ist keine Frage des Mutes, sondern eine Frage der Klugheit. Ich sage, wir wollen so stark werden, dass die ÖVP im Burgenland in den nächsten Jahren sehr entscheidend bestimmen kann in welche Richtung sich das Land entwickelt, das ist meine Ansage. Der Wähler wird entscheiden, wie stark wir werden.
WZ: Vier gute Gründe, am dritten Dezember die ÖVP zu wählen?
Jellasitz: Der erste: wir sind verlässlich, wir haben gute Arbeit geleistet in den letzten Jahren.
Der zweite: Die ÖVP hat 80 Prozent der Ziel-Eins Gelder verwaltet, wir haben über 600 Ziel-Eins Projekte umgesetzt. Die ÖVP stellt das Wirtschaftsressort, das Agrarressort. Ich bin verantwortlich für die Gemeinden, für die Jugend und für die Kindergärten. Das Burgenland hat eine flächendeckende Kinderbetreuung, wie kein anderes Bundesland, darauf bin ich stolz.
Der dritte Punkt: Ich habe in der Jugendpolitik im Burgenland sehr entscheidende Spuren gezogen, ich habe die Studentenheimplätze nahezu verdoppelt. Ich habe darüber hinaus eine harte Drogenkampagen durchgezogen - vor sieben Jahren begonnen, da haben noch alle milde darüber gelächelt, heute ist das ein gesellschaftliches Problem landesweit. Ich habe darüber hinaus Jugendparlamente initiiert, ich habe die Herausforderung angenommen, mich der Diskussion mit der Jugend zu stellen.
Vierter Grund: Wir haben gute Programme. Ich kenne die von den anderen Parteien noch nicht, vielleicht kommen sie noch. Ich würde mich freuen, denn dann kann man konkret über etwas diskutieren, nicht nur Phrasen dreschen und Schlagworte abhandeln.
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Gespräche mit den Kandidaten von FPÖ und Grünen folgen demnächst.