Der österreichische Forscher erhielt im Jahr 1936 den Physik-Nobelpreis.
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Wien. In jeder Sekunde und bei jedem Wetter regnet es Teilchen aus den Tiefen des Universums auf die Erde. Diese für die Menschen nicht direkt wahrnehmbare sogenannte Kosmische Strahlung wurde vor 100 Jahren vom Wiener Physiker Victor Franz Hess entdeckt.
Am 7. August 1912 war Hess in einem Ballon auf 5350 Meter Höhe aufgestiegen und konnte dabei Strahlungswerte ablesen, die bereits mehr als doppelt so hoch wie an der Erdoberfläche waren. Für seine Entdeckung wurde er 1936 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.
Die Kosmische Strahlung zählt zu den natürlichen Strahlungsquellen. Sie besteht vorwiegend aus Protonen, daneben aus Elektronen und vollständig ionisierten Atomen. Auf die äußere Erdatmosphäre treffen etwa 1000 Teilchen pro Quadratmeter und Sekunde. Durch Wechselwirkung mit den Gasmolekülen entstehen Teilchenschauer mit einer hohen Anzahl von sogenannten Sekundärteilchen. Nur ein geringer Teil davon erreicht die Erdoberfläche. Nachweisbar ist die Sekundärstrahlung sowohl am Erdboden als auch durch Ballonsonden.
Polarlichter und "Ötzi"
Die auffälligste und schönste Auswirkung der Kosmischen Strahlung sind Polarlichter. Sie entstehen durch jenen Teil der Strahlung, den Hess gar nicht wahrgenommen hat - den Sonnenwind. Doch Sonnenwinde und -stürme wie jener, der die Erde in der vergangenen Woche erreichte, blasen nur weniger energiereiche Teilchen Richtung Erde, die leicht vom Magnetfeld abgefangen werden. Nur bei Sonneneruptionen erreichen auch hochenergetische Teilchen der Sonne höhere Bereiche der Erdatmosphäre. Der Ursprung der hochenergetischen Anteile liegt aber noch im Dunkeln. Ein Teil dürfte bei Sternenexplosionen stark beschleunigt werden, als weitere Kandidaten gelten massereiche Schwarze Löcher. Der Ursprung ist also auch nach 100 Jahren noch ein Rätsel.
Ein Mensch ist pro Jahr im Schnitt einer effektiven Dosis von etwa 2,4 Milli-Sievert (mSv) Strahlung durch natürliche Quellen ausgesetzt. Dazu trägt die Kosmische Strahlung am Boden etwa 0,4 mSv bei. Da in größeren Höhen die schützende Lufthülle immer dünner wird, steigt die Belastung im Flugzeug, aber auch schon beim Bergsteigen, an. Das UN Scientific Committee nennt als Dosis für einen Zehn-Stunden-Flug 0,03 mSv. Zum Vergleich dazu: Die Strahlendosis eines Lungenröntgens liegt bei 0,07, die einer Mammographie bei 0,5 mSv.
Der Kosmischen Strahlung ist es auch zu verdanken, dass das Alter von organischem Material bestimmt werden kann - so etwa der berühmten Gletschermumie "Ötzi". Noch nicht geklärt ist ihr Einfluss auf das Klima.
Hess gilt als Österreichs vergessener Nobelpreisträger, an den kein Denkmal erinnert. Nur zwei Jahre nach der Preisverleihung wurde er von den Nationalsozialisten ohne Pension in den Ruhestand gezwungen. Gründe dafür waren seine offene Ablehnung der Nazis und die jüdische Abstammung seiner Frau.
Das Nobelpreisgeld musste er als sogenannte "Reichsfluchtsteuer" in "Reichsschatzscheine" umtauschen. Er flüchtete mittellos über die Schweiz in die USA, wo er in New York eine Stelle an der Fordham University annahm. In seine Heimat kehrte Hess später nur mehr für Kurzbesuche zurück.
Victor-Franz-Hess-Jahr
Im Ruhestand forschte der Physiker über den Einfluss radioaktiver Strahlung auf den Menschen, die er am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Er musste sich 1934 einer Kehlkopfkrebsoperation unterziehen und verlor nach Strahlenschäden einen Daumen. Am 17. Dezember 1964 verstarb Hess in Mount Vernon (USA).
Das für 2012 ausgerufene Victor-Franz-Hess-Jahr wird am 19. März mit einer Festveranstaltung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien eröffnet. Es folgen Konferenzen in Innsbruck und Graz sowie in Deutschland. In Erinnerung an seine Leistungen werden Ballone gestartet und auch ein Theaterstück über sein Leben uraufgeführt. Weitere Veranstaltungen finden in Atlanta und Denver (USA) sowie in Moskau statt.