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Nach Wien und wieder zurück

Von Christoph Rella

Wirtschaft

Briefzentrum Wien: Seit 2001 in Betrieb. | Post AG lud zum "Tag der Logistik". | Über Zustellbasen, Beamte, Hybrid-Mail. | Wien. Stellen Sie sich vor, Sie haben an Ihren "lieben" Nachbarn, mit dem Sie seit Jahren wegen eines Kirschbaumes im Klinsch liegen, einen geharnischten Brief geschrieben. Aber statt ihn in den Postkasten nebenan zu legen, geben Sie ihn, wie es sich gehört, beim nächstgelegenen Postamt auf. Was Sie vielleicht nicht wissen: Noch bevor der Briefträger die heikle Post am nächsten Morgen in die Hand nimmt, hat das Schreiben eine kleine Weltreise hinter sich. Ersichtlich ist das an dem orangen Strichcode, der auf dem Kuvert aufgedruckt ist. Ein Zeichen dafür, dass der Brief durch die Sortiermaschine eines Briefzentrums der Post gelaufen ist. Einzugsgebiet: 80 Kilometer.


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Sechs solcher Einrichtungen gibt es in Österreich - in Innsbruck, Salzburg, Villach, Linz, Graz und natürlich in Wien. Hier, bei Inzersdorf, befindet sich die größte Anlage des Landes. Pro Woche sind es 56 Millionen Briefe und eine Million Pakete, die durch die 47 Verteilmaschinen geschickt werden und für den Weiter- (oder Rück-)transport vorbereitet werden. Los geht es dann ab 22 Uhr: Da fahren hunderte Lkw von den Logistikzentren in die Bundesländer und Bezirke ab.

"Alles, was in Wien, Niederösterreich und im Burgenland aufgegeben wird, läuft hier durch", sagt Logistik-Experte Stefan Fuchs, während er durch die Halle führt. Anlass: Die Post hat dieser Tage zum "Tag der Logistik" eingeladen. Der Einladung gefolgt sind immerhin 1500 Wiener und Wienerinnen, die nun in Gruppen von bis zu 25 Personen durch das Areal geführt werden.

55 Prozent sind Beamte

Die Frage, warum ein an einen Nachbarn adressierter Brief aus Niederösterreich ebenfalls über Wien gehen muss, ringt dem Postmitarbeiter ein Lächeln ab. "Wir können es uns nicht leisten, jeden lokalen Brief auf unseren Ämtern und Postpartner-Stellen händisch auszusortieren", entgegnet er.

Außerdem würden die meisten Sendungen längst nicht mehr von den lokalen Abgabestellen, also den Filialen, sondern von eigenen "Zustellbasen" aus zur Verteilung gebracht. "Diese Basen liegen meistens außerhalb der Orte auf einer grünen Wiese und werden von unseren Logistikzentren bedient", erklärt Fuchs. "Die Briefträger müssen die vorsortierte Post nur noch austragen." Denn nur so könne die gesetzliche Vorgabe, 95 Prozent aller Sendungen innerhalb eines Tages zuzustellen, auch erfüllt werden.

Allerdings gebe es in der Sache noch Aufholbedarf, räumt er ein. In ganz Österreich gibt es bis jetzt gerade einmal 286 solche Einrichtungen, im Mai wird eine weitere bei St. Pölten eröffnet. Für den normalen Kunden sind diese Zustellbasen tabu, wie Fuchs sagt. Lediglich Unternehmen mit großem Werbeaufkommen dürfen ihre Massensendungen dort abgeben. "Ein Postamt könnte damit gar nicht fertig werden", so der Experte.

Wie aufwendig das Sortieren speziell von Paketen sein kann, davon kann Sehriban, eine von insgesamt 1000 Mitarbeitern in Wien, ein Lied singen. Ihr Job ist es, sperrige und ausgebeulte Packerln für die Lesemaschinen vorzusortieren - eine Tätigkeit, die trotz aller technischen Errungenschaften ausschließlich manuell erfolgen kann. "Es ist schon manchmal hart", meint die 41-Jährige. "Aber es macht Spaß." Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund wie Sehriban sind hier gut integriert, betont Fuchs. Immerhin würden hier Menschen aus 37 Nationen arbeiten.

Wie viele Mitarbeiter Beamtenstatus haben? "Rund 55 Prozent sind hier Beamte", antwortet Fuchs. "Aber wir haben auch viele Angestellte und Vertragsbedienstete." Nur: Auch sie sind, haben sie einmal zehn Jahre lang im Betrieb gearbeitet, unkündbar. Ihr Einkommen: 1200 bis 2000 Euro.

Ganz gut verdienen auch jene Damen und Herren, die bei der ebenfalls in Inzersdorf ansässigen Firma "Scanpoint", einem Tochterunternehmen der Post, beschäftigt sind. Ihre Aufgabe ist es, Briefe, die an konkrete Partnerkonzerne der Post adressiert sind, an Ort und Stelle zu öffnen und den Inhalt einzuscannen. "Die Dokumente werden noch während der Nacht elektronisch an den Empfänger weitergeleitet", erklärt Fuchs stolz. "Und wenn der Mitarbeiter dort dann um acht Uhr ins Büro kommt, hat er bereits seine gesamte Post am PC. Willkommen in der Generation Hybrid-Mail." Und der Datenschutz? Fuchs: "Keine Sorge, alles gut gesichert."

Fit für Liberalisierung?

Geht es nach dem Konzern, so sind es Produkte wie diese, die die Post für die Liberalisierung des Briefsektors 2011 fit machen sollen. Hinzu kommt, dass die Post bei den Kunden ein hohes Vertrauen genieße. "Der Postler ist einer der Menschen, denen ich sogar im Bademantel aufmache", erklärte einmal Generaldirektor Georg Pötzl. Solange es nicht der Nachbar ist, ist alles gut.