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Nachbar in Not-Quartier

Von Clemens Neuhold

Politik

Kampf um Kasernen als nächster Akt im Asyl-Drama. Ungarn errichtet indes eine Mauer gegen Flüchtlinge.


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Wien. Pro Tag stellen 300 Menschen einen Asylantrag in Österreich. Nur ein Drittel davon kommt in Quartieren der Bundesländer unter. Der Rest ist bekannt: Zeltstädte; ein Ultimatum der Innenministerin an die Länder, notfalls Kasernen zu öffnen; Protest dagegen; Zurückpfeifen der Innenministerin durch die Regierungsspitze. Nur was passiert mit über 2000 Menschen, die in den Ländern nicht unterkommen? Sie warten derzeit in den Erstaufnahmezentren Traiskirchen (NÖ) und Thalham (Oberösterreich), in Gebäuden der Bundesimmobiliengesellschaft (zum Beispiel Wien-Erdberg), Polizeiturnsälen und 132 Zelten in ganz Österreich darauf, wie es weitergeht.

Fakt ist: Die Länder sind für die Unterbringung und Versorgung der Asylwerber während des laufenden Verfahrens zuständig und verantwortlich. Das Innenministerium, also der Bund, ist so lange für die Versorgung verantwortlich, bis das Recht auf ein Asylverfahren in Österreich geklärt ist. Kann nachgewiesen werden, dass EU-Boden in einem anderen Mitgliedsstaat betreten wurde oder bereits in einem anderen Land ein Asylantrag gestellt wurde, wird der Asylwerber in dieses Land zurücküberstellt (siehe auch die Geschichte von Laila P). "Wir verhindern Obdachlosigkeit, sind aber am Ende der Kapazitäten", sagt ein Sprecher des Innenministeriums.

Asylpolitik derzeiteine einzige Notlösung

Symbolisch für die Erstaufnahme steht seit jeher das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen. Neuerdings stehen auch die Zelte dafür, die als Notmaßnahme durch das Ministerium errichtet wurden. Die Asylpolitik gleicht derzeit einer einzigen Notlösung. In Salzburg sollen die Zelte zumindest bis Herbst stehen, sagte der Salzburger Landehauptmann Wilfried Haslauer im "ORF-Report". Eine winterfeste Lösung, nämlich Wohncontainer, wurde im Innenministerium erwogen. Dafür braucht es aber eine Baugenehmigung durch die Bürgermeister, die sich aber aus Angst, die Container würden zu Dauereinrichtungen werden, dagegen wehren.

Kärnten musssich bewegen

Bewegung gibt es hingegen bei den Kasernen. Seitens des Verteidigungsministeriums wird damit gerechnet, dass in all jenen Bundesländern die angebotenen Kasernen geöffnet werden, in denen die Quote nicht erfüllt wird. Zuletzt hatte kein einziges der vier betroffenen Bundesländer Tirol, Oberösterreich, Kärnten und Salzburg die Quoten-Vorgaben erfüllt, Oberösterreich und Salzburg nicht einmal mit den vom Bund organisierten Notquartieren wie Zelten und Polizei-Turnsälen. Trotz ablehnender Haltung der Kärntner Politik dürfte die Kaserne Bleiburg schon demnächst für Flüchtlinge geöffnet werden. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), Landesrat Christian Benger (ÖVP), Landesrat Christian Ragger (FPÖ) setzten nun alles in Bewegung, um das zu verhindern.

Auch die Kasernen Vomp (Tirol), Freistadt (Oberösterreich) und Tamsweg (Salzburg) könnten ab Montag für Asylwerber adaptiert werden, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Die Umwidmung der Kaserne im niederösterreichischen Horn, die 400 Asylwerber hätte beherbergen können, ist abgeblasen, nachdem der Bürgermeister ein ziviles Quartier für 100 Asylwerber bereitgestellt hat.

Freilich sind die Kasernen-Plätze ohnehin nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. 400 Plätze stünden so zur Verfügung und damit ohnehin viel zu wenige, um wenigstens die Zeltstädte zu ersetzen, die derzeit von gut 1000 Flüchtlingen bewohnt werden.

Platz für 1000 Personen hat die Kirche bzw. die Caritas in Pfarren und Klöstern geschaffen. Künftig soll es für jede Diözese Ansprechpersonen geben, die nach weiteren Quartieren suchen.

Hitzige Debatteim Parlament

Dass auch im Parlament über das Thema gesprochen wurde, war einem Antrag des Team Stronach geschuldet, das die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich mit dem Flüchtlingsstrom verknüpfte. Mikl-Leitner ärgerte dies: Arbeitslose gegen Flüchtlinge auszuspielen halte sie für unseriös.

Dass in der Debatte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein dafür war, Flüchtlinge in Transporter-Maschinen abzuschieben (Begründung: "Da können sie so laut schreien, wie sie wollen."), kommentierte wenig später Kardinal Christoph Schönborn deutlich. "Solche Aussagen können nur Menschen tätigen, die so etwas nicht erlebt haben oder nicht hingeschaut haben. Ich wünsche diesen Menschen nicht, dass sie selber einmal in diese Situation kommen."

Asyl wird für Europazur Existenzfrage

Von der europäischen Ebene ist keine Hilfe zu erwarten. Eine verpflichtende europäische Quote, die eine solidarische Aufteilung der Asylwerber sicherstellt, wurde beim Treffen der Innenminister verworfen. Zu groß ist der Widerstand vor allem der osteuropäischen Länder. Ungarn fährt einen besonders harten Kurs gegenüber Flüchtlingen. Die Regierung Ungarns hat die Schließung der 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien per 4-Meter-Zaun angekündigt. Ungarn will damit die Zuwanderung von Flüchtlingen unterbinden, die zuletzt stark zugenommen hatte. Im vergangenen Jahr trafen in Ungarn rund 43.000 Flüchtlinge ein, 2012 waren es 2000 gewesen. Heuer kamen hingegen schon mehr als 50.000.

Wegen der steigenden Flüchtlingszahlen sind die Polizeikontrollen auch am italienisch-österreichischen Grenzübergang Tarvis verschärft worden. Seit Mittwoch waren 20 Polizisten mehr als üblich im Einsatz. Stärkere Kontrollen seien auch entlang der Autobahn und der Bahnlinie im Gange. Italien und Frankreich haben indes wieder fixe Grenzkontrollen eingeführt, was der EU-Freizügigkeit widerspricht. Auch Sachsen und Bayern wollen die Grenzkontrollen verstärken, die Regierung in Berlin lehnt das ab.